Der Zustand der Fliessgewässer und der Auebereiche kann
aufgrund forstlicher Maßnahmen auch innerhalb Waldes von naturnahen Verhältnissen
abweichen. Eingriffe im Zug der Walderschließung und eine veränderte
Baumartenzusammensetzung wirken auf die Lebensgemeinschaften im und am
Fliessgewässer. Beispielsweise stellen Dolen, Durchlässe und auch
Uferbefestigungen die im Rahmen des Wegebaus angelegt wurden für viele Fische
und Kleintiere eine Wanderbarriere dar. Bereits Hindernisse mit einer Höhe von
10 bis 20 cm können stromaufwärts nicht mehr passiert werden. Dies ist
bedeutend, da viele Tiere schon bei geringer Strömung talwärts verdriften. Diese
Drift versuchen Fließwassertiere durch bachaufwärts gerichtete Wanderungen
auszugleichen.
Die Abteilung Landespflege der FVA hat im Januar 2002 mit
dem Projekt Gewässerentwicklung im Wald begonnen (Laufzeit 01/2002 -
10/2003). Das Vorhaben entspricht in seinen Grundzügen der im Offenland bereits
begonnenen Gewässerentwicklungsplanung. Untersuchungen werden an 11 ausgewählte
Berg- und Hügellandbächen in den Naturräumen Schwarzwald,
Schwäbisches-Keuper-Lias-Land und Voralpines Hügel- und Moorland durchgeführt. Eine
Kartierung und Bewertung morphologischer Strukturen wie Laufentwicklung, Längs-
und Querprofil usw. erfolgt nach zwei Methoden (LAWA-Verfahren, FVA-Verfahren),
die gegeneinander verglichen werden. Als Ergebnis erhält man die Qualität eines
Gewässers in Form der sog. Strukturgüte. Aus den ermittelten Werten kann
abgeleitet werden, wo z.B. naturnahe Fliessgewässerstrecken liegen. Bei
Defiziten werden Entwicklungsmaßnahmen vorgeschlagen, wie die Umgestaltung von
Wanderungshindernissen oder Empfehlungen für waldbauliche Maßnahmen im
gewässernahen Wald. Um die Strukturgüte mit Merkmalen der Gewässerfauna von
Waldbächen zu verknüpfen, finden limnologische Untersuchungen statt. Gewässerabschnitte
werden auf ausgewählte Tierarten des Makrozoobenthos, der Fische und fallweise
auf Vorkommen von Flussmuschel und Krebsen untersucht. Anhand der
Artenzusammensetzung und von Populationsdichten können Rückschlüsse auf den
qualitativen Zustand des Gewässers gezogen werden. Arten, die nach Anhang II
der FFH-Richtlinie geschützt sind, wie die Fischarten Groppe (Cottus gobio) und
Bachneunauge (Lampetra planeri) oder die Kleine Flussmuschel (Unio crassus)
dienen als Leitarten. Mit diesen Arten sind auch europäische Standards
eingebunden, denn die seit Dezember 2000 gültige Europäische
Wasserrahmenrichtlinie EU-WRRL - weist diesen Arten aufgrund ihrer
Indikatorfunktionen besondere Bedeutung beim Gewässermonitoring zu. Der Groppe
z.B. als Leitart für die Durchwanderbarkeit, da selbst niedrige Hindernisse wie
kleine Abstürze, beispielsweise unterhalb einer Dole, Wanderbewegungen dieser
Fischart verhindern. Dies haben erste Ergebnisse bereits bestätigt. Das
Bachneunauge dient als Leitart für intakte lokale Gewässerstrukturen, die
Flussmuschel stellt höchste Ansprüche an die Gewässergüte und ist wegen der
engen Bindung an einen ausreichend großen Wirtsfischbestand ein Zeiger für
intakte, komplexe Lebensgemeinschaften. Mit den tierökologischen Ergebnissen
wird es möglich, Aussagen über Auswirkungen der Waldbewirtschaftung auf die
Gewässerfauna, vor allem dicht geschlossene Nadelholzreinbestände stehen in der
Kritik von Fachleuten, zu überprüfen. Soweit forstlich verursachte, schädliche
Auswirkungen festzustellen sind, werden Vorschläge für das weitere Vorgehen mit
Maßnahmenempfehlungen mit Begründung und Priorität erarbeitet.
Das Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit der
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU) durchgeführt. Ebenfalls
beteiligt ist der BUND-Landesverband Baden-Württemberg. Der BUND befasst sich
ganz aktuell im Rahmen seines Projektes Naturnahe Gewässer im Wald mit den
Waldbächen. Die Ergebnisse des Vorhabens werden Ende 2003 vorliegen und in 2004
wird an der FVA eine Fachtagung über das Projekt stattfinden.
Literaturhinweis:
Bönecke, G. (2002): Einfluss der Forstwirtschaft auf die
Fliessgewässerfauna. In: Forstwissenschaftliche Fakultät der Universität
Freiburg & Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg
[Hrsg.]: Wissenstransfer in Praxis und Gesellschaft, FVA-Forschungstage 5.-6. Juli
2001, Schriftenreihe Freiburger Forstliche Forschung, Bd. 18, S. 182-193,
Freiburg
Autor:
Gerhard Bönecke
Abt. Landespflege
Artikel-Datum: 16.07.2003
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