Güteansprache am stehenden Stamm

Die Güteansprache als neues Element von Inventuren

Forstübliche Inventuren erheben Baumartenanteile, Vorratsstrukturen, Zuwächse, Stärkeklassenverteilung und den zu erwartenden Einschlag. Hierdurch erhält man ein exaktes Bild über die quantitativen Merkmale der Wälder. Was bisher noch nicht mit ausreichender Genauigkeit erhoben wurde und sowohl seitens der Kundschaft (Holzindustrie) als auch der Forstwirtschaft gefordert wird, sind zuverlässige Informationen über die vorhandenen Qualitäten und damit den finanziellen Wert der Wälder.

Für diesen Zweck entwickelte die FVA, Abteilung Waldnutzung ein Verfahren zur Güteansprache am stehenden Stamm, das in die Aufnahme der Bundeswaldinventur eingebunden werden sollte. Ziel das Verfahrens ist, anhand äußerlich erkennbarer Merkmale einen Hinweis auf das vorhandene Gütepotential der Wälder zu erhalten. Durch die Einteilung in Güteklassen nach objektiven Kriterien sollen eine hohe Genauigkeit und verlässliche Aussagen gewährleistet werden. Im Rahmen der Bundeswaldinventur II in Baden-Württemberg werden die Daten zur Güte erhoben und Ende 2002 in einer Sonderauswertung durch die FVA-Abteilung Biometrie analysiert und aufbereitet.

Was wird beurteilt?

Bei der Entwicklung des Verfahrens galt es zunächst verschiedene Fragen zu klären, wobei das in der Schweiz angewandte Modell zur Stehendansprache zur Herleitung und als Diskussionsgrundlage diente:

Von welchen Baumarten sollen Daten erhoben werden?

Die Aufnahme wurde aus Gründen der statistischen Auswertbarkeit auf die Baumarten Buche, Eiche, Tanne, Fichte, Douglasie, Kiefer und Lärche beschränkt. Eine Übertragbarkeit auf andere Baumarten ist dabei aber nicht ausgeschlossen.

Welche obere Ansprachehöhe am Stamm ist sinnvoll und notwendig?

Als Grenze wurde bei Laubhölzern 5 m, bei Nadelhölzern 10 m (Kiefer: 7 m) gewählt. Dadurch wird nur der für die weitere Verwendung wichtige untere Teil der Stämme begutachtet.

Ab welchem Brusthöhendurchmesser erfolgt die Güteansprache?

Der Mindestdurchmesser liegt bei 30 cm.

In wie viele Güteklassen soll eingeteilt werden? Ist es möglich, Mischqualitäten zu erheben?

Die Einteilung erfolgt in sechs Klassen. Grundgedanke war, ein eingängiges System zu finden, das leicht nachzuvollziehen ist und einen irreführenden Vergleich mit der Handelsklassensortierung ausschließt. So entspricht die Güteklasse 1 einem qualitativ sehr guten Stamm, die Güteklasse 6 einem Stamm, der überwiegend nicht mehr sägefähig ist.

Welche Merkmale werden angesprochen?

Die Güteansprache erfolgt auf der gesamten begutachteten Stammlänge und umfasst alle äußerlich erkennbaren Rinden- und Astparameter sowie Schädigungen. Dabei werden die Bäume je nach Vorkommen und Häufigkeit der folgenden Merkmale in die o.a. sechs Gütestufen eingeteilt. Die erste, grundlegende Einteilung erfolgt nach Beurteilung der Astigkeit (Hauptmerkmal): Anzahl und Stärke der Äste, Aststummel, Astbeulen, Astnarben, Schwarzäste, „Nägel", Steiläste und Wasserreiser. Bei den Nadelbäumen ist eine Astung ein wichtiges Kriterium (Tab. 1).

Merkmal Astigkeit

Laubholz

Güte 1

Güte 2

Güte3

Güte 4

Güte 5

Güte 6

sehr gut

Gut

Besserer Durchschnitt

schlechterer Durchschnitt

Schlecht

zu schlecht

Sehr flache Chinesenbärte zulässig, sonstige Äste und Astnarben sind ausgeschlossen, ast- und beulenfrei

Einzelne Astnarben, Rosen, Nägel, ... und leichte Rindenmerkmale zulässig, Wasserreiser, Klebäste,... ausgeschlossen

Wenige (1 – 3) Astquirle und Wasserreiser oder wenige feine und grüne Äste zulässig

Entweder mehrere (3 – 5) dünnastige Astquirle oder 1 starker Ast im oberen Teil oder wenige dünne Äste zulässig

mehrere starke Äste zulässig, außerdem viele Astnarben, Beulen, Nägel,... zulässig

Tief ansetzende Äste, völlig grobastig

und fehlerhaft

Nadelholz

Güte 1

Güte 2

Güte 3

Güte 4

Güte 5

Güte 6

sehr gut

Gut

besserer Durchschnitt

schlechterer Durchschnitt

Schlecht

zu schlecht

Unteren 5 m astfrei, offensichtlich geastet, ohne Rindennarben, darüber Astfreiheit

Unteren 5 m astfrei ohne Rindennarben, darüber astfrei aber leichte Beulen und größere Astnarben zulässig

Bis 5 m weitgehend astfrei, darüber schwachastig (dünne gesunde Äste) zulässig

Astnarben und dünne, gesunde Äste auf ges. Länge zulässig, wenn schwachastig

Grobastig auf ganzer Stammlänge

Grobastig bis runter

Tab. 1 Güteansprache bei Laub- und Nadelholz am Beispiel des Merkmals Astigkeit

Ein weiteres Merkmal ist das Rindenbild: Rindennarben, Beulen, Verletzungen (z.B. aufgeplatzte Rinde) und bei Laubholz außerdem der Rindenaufbau (Gleichmäßigkeit), T-Krebse (Katzenpfötchen, Amulette), Siegel und Chinesenbärte. Je nach Größe, Ausprägung, Verteilung und Häufigkeit gehen sie mit in die Beurteilung ein. Auch die sonstigen Merkmale wie Schaftform, Krümmung, Flaschenhals (Fichte), Wimmerwuchs (Tanne, Buche), Tannenkrebs, Mistelbefall am Stamm (Tanne), Wolllausbefall (Buche) und Spannrückigkeit fließen in die Gesamtbeurteilung mit ein. Zu einer Abstufung der Güteklasse führen Schädigungen jeglicher Art innerhalb der zu beurteilenden Ansprachehöhe wie z.B. Rindenverletzungen, Streifschäden, Fäll- und Rückeschäden, Trockenschäden am Stamm, Risse und Sonnenbrand.

Folgende Richtlinien sollen die Vergleichbarkeit der Güteansprache gewährleisten:

  • Der Gesamteindruck ist besonders wichtig. Er kann zu einer Abstufung (bei vielen kleinen Einzelmerkmalen) oder zu einer Aufwertung führen (z.B. ein dünner Ast im oberen Bereich bei sonst einwandfreier Qualität).
  • Angesprochen werden objektiv feststellbare Merkmale zum augenblicklichen Zeitpunkt. Die mögliche Entwicklung, das Alter und die Verwendungsmöglichkeiten spielen keine Rolle.
  • Im ganzen Land gelten unabhängig von den Wachstumsbedingungen die gleichen Kriterien. Eine Buche der Güteklasse 3 im Schwarzwald muss genauso aussehen wie auf der Schwäbischen Alb.
  • Die Bewertung einzelner Merkmale kann je nach Baumart unterschiedlich gewichtet werden. Notwendig ist deshalb ein Vergleich zwischen den Bäumen einer Baumart (siehe Fotoreihe Laubholz / Nadelholz)

Erste Ergebnisse und Erfahrungen

Bisher kann nur die Durchführbarkeit des Verfahrens und die Vergleichbarkeit der Bewertung beurteilt werden: Ein Ergebnis ist, dass man durch eine Güteeinteilung nach äußerlich sichtbaren Merkmalen statistisch abgesicherte und wiederholbare Ergebnisse erhält, mit deren Hilfe das Gütepotential der Wälder oder eines Bestandes angeben werden kann. Während der Schulung der Inventurtrupps kristallisierte sich heraus, dass die Ansprache im Grundsatz wenig Probleme bereitet und bereits nach wenigen Probesortierungen sehr einheitlich erfolgt. Die Ansprache am stehenden Stamm lässt jedoch derzeit keine Rückschlüsse auf die innere Holzqualität oder Verwendungsmöglichkeiten zu.

Erfreulich ist die große Resonanz aus anderen Forstverwaltungen oder privaten Forstbetrieben. So hat die Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz die Güteansprache am stehenden Stamm ebenfalls in die Bundeswaldinventur integriert und auch bei Vermögensbewertungen ist ein Einsatz denkbar.

Die Verfahrensbeschreibung zur Güteansprache einschließlich der Fotoreihen:

Teil 1 (Arbeitsanweisung) als pdf zum download (552 KB)

Teil 2: Fotoreihe:

- Buche Teil I und Teil II
- Eiche Teil I und Teil II
- Fichte Teil  I und Teil II
- Tanne Teil I und Teil II
- Douglasie Teil I und Teil II
- Kiefer Teil I und Teil II
- Lärche Teil I und Teil II

Einzelmerkmale: Teil I, Teil II, Teil III, Teil IV

Autoren:

Ulrike Willmann, Matthias Wurster
Abt. Waldnutzung

Für Rückfragen wenden Sie sich an:

Matthias Wurster
Abt. Waldnutzung

Artikel-Datum: 01.07.2003

Abteilung Waldnutzung
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