Junge Bäumchen auf dem Speiseplan
"Junge Tannen sind vor allem im Spätwinter bei Rehen als Nahrung sehr beliebt, ihre Triebspitzen werden in der nahrungsarmen Zeit gerne gefressen", erklärt Jan Geyer von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg. Doch gerade diese jungen Bäumchen seien in den höheren Lagen des Schwarzwalds in Zukunft besonders wichtig. Unter anderem mit ihnen solle der Waldumbau in Richtung stabiler, hitze- und trockenresistenter Mischwälder gelingen. Daher sollten nicht zu viele Bäumchen verbissen werden, sodass noch ausreichend junge Tannen heranwachsen können.
Das Linachtal als Blaupause
Um die Zukunft von Waldverjüngung und Jagd zu diskutieren, haben sich Ende Mai Jagende, Forstrevierleitende und Waldbesitzende im Schnabelwald bei Furtwangen getroffen. Das Treffen ist Teil der Runden Tische "Waldumbau & Jagd" die in Zukunft in ganz Baden-Württemberg eine Plattform bieten sollen, den Zustand der Waldverjüngung und die Jagd zu thematisieren und gemeinsam an Lösungen für einen gesunden und vielfältigen Wald der Zukunft zu arbeiten. "Hier im Linachtal treffen wir uns bereits zum dritten Mal", erklärt Stefanie Thoma vom FVA-Wildtierinstitut, die gemeinsam mit ihren Kollegen für die Organisation der Runden Tische verantwortlich ist. "Nachdem es bei den ersten Treffen darum ging, alle Akteure ins Gespräch zu bringen und gemeinsam Ziele zu sammeln und zu verstehen, dient der Waldbegang heute dazu, an echten Waldorten konkret zu werden: Wie können hier die Ziele erreicht werden? Wer kann aktiv werden und was ist zu tun?" Der Runde Tisch im Linachtal soll auch Erkenntnisse dazu liefern, wie in Zukunft in ganz Baden-Württemberg zum Thema gearbeitet werden kann.
Weißtanne for Future?
"Wir hatten von 2018 bis 2020 drei extreme Trockenjahre in Folge. Dafür stehen die alten Tannen hier noch recht gut da. Die Fichten dagegen haben in dieser Zeit große Schwierigkeiten bekommen", erklärt Förster Michael Willmann, der auch stellvertretender Hegeringleiter und damit Vertreter der Jagenden im Gebiet ist. Mit zunehmender Hitze und Trockenheit habe auch der Fichtenborkenkäfer immer leichteres Spiel. In Zukunft wünsche er sich darum einen höheren Tannenanteil in den Wäldern der Umgebung. Durch ihr tieferes Wurzelwerk ist die Tanne im Vergleich zur flachwurzelnden Fichte besser in der Lage an Wasser im Boden zu gelangen. Speziell Tannennaturverjüngung, die dank vorhandenen, alten Samenbäumen heranwachsen kann, sei quasi von Beginn an gut an den Standort angepasst und an die Wasserversorgung angeschlossen, so Willmann. Die Beimischung und Förderung von Mischbaumarten, besonders von Laubhölzern, senkt nicht nur die Anfälligkeit der Wälder für Trockenstress, sondern verringert auch das Waldbrandrisiko und verbessert den, durch künstlich hohe Fichtenanteile, degradierten Waldboden.
Verantwortung für Wald und Wildtiere
Eine wichtige Aufgabe der Jagd in Baden-Württemberg ist es, Wildtierpopulationen so zu erhalten und zu entwickeln, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zur Funktionsfähigkeit der natürlichen Prozesse stehen und die Waldbewirtschaftung möglichst wenig beeinflussen. Jagdpächter Gregor Kuner ist sich dieser Verantwortung für Wild und Wald bewusst: "Hier im Schnabelwald stimmen wir uns eng mit dem Waldbesitzer ab." Man wisse, auf welche Flächen es besonders ankomme und versuche dort durch eine Schwerpunktbejagung und Schutz der jungen Bäumchen ein günstiges Zeitfenster für die Naturverjüngung zu schaffen. Förster Willmann führt an, dass auch die Waldbewirtschaftung ihren Teil dazu beitragen müsse: "Durch gezielte Lichtgabe könnte man hier das Wachstum der jungen Waldgeneration beschleunigen", sagt er und deutet auf einen dunklen Bereich. Kuner ergänzt: "Wenn die Verjüngung hoch genug ist und die Rehe nicht mehr an die Triebspitzen kommen, haben wir unsere Aufgabe hier erfüllt."
Zusammenarbeit für den Wald der Zukunft
Junge Tannen, Buchen und Vogelbeeren die im Schnabelwald zwischen den Fichten und der Heidelbeere wachsen, zeugen vom Erfolg der Bemühungen. Die meisten Tännchen sind jedoch mit Plastikclips vor dem Gefressenwerden geschützt. Der Verbiss ist nach wie vor zu hoch. Die meisten jungen Bäume können nicht ohne Schutz aufwachsen. Zwar zeigen landesweite Erfassungen, dass der Verbiss an jungen Tännchen in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren leicht abgenommen hat. Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist dieser Trend jedoch noch nicht flächig erkennbar. Welche Maßnahmen helfen können, um die neue Waldgeneration weiter zu entlasten und wie die Zusammenarbeit zwischen Forst, Jagd und Grundbesitz in Zukunft ablaufen kann, wird bei zwei weiteren Treffen im Linachtal diskutiert werden.