"Alle 90 Sekunden werden Wildtiere statistisch gesehen ange- oder überfahren. Sie verenden oft unnötig spät und leiden dabei unter unsäglichen Schmerzen", erklärt Prof. Dr. Ulrich Schraml, Direktor der FVA. "Dieses enorme Ausmaß an Tierleid, aber natürlich auch der Gefährdung von Menschen muss dringend reduziert werden."
Untersuchung zur Wirksamkeit von Wildwarnreflektoren in Deutschland
Eine der am häufigsten angewandten Wildunfallpräventionsmaßnahmen sind Wildwarnreflektoren. Die Hersteller – vor allem von blauen Reflektoren – versprechen eine Reduzierung der Wildunfälle. Aber Untersuchungen, die das Verhalten der Wildtiere in Bezug auf Reflektoren untersuchten, gab es in Deutschland bisher nicht. In einem ersten Pilotprojekt hat die FVA überprüft, ob der blaue Halbkreisreflektor zu einem Rückgang des unfallrelevanten Verhaltens bei Rehen führt und ob die Farbe Blau tatsächlich eine "Warnfarbe" darstellt. In einem Folgeprojekt wurde neben der Untersuchung der Wirksamkeit von Wildwarnreflektoren auf Rehe, Füchse und Wildschweine auch der Status Quo von montierten Wildwarnreflektoren im Straßennetz von Baden-Württemberg erfasst.
Kein Einfluss auf das Verhalten von Wildtieren nachweisbar
Die Ergebnisse aus insgesamt 45.000 Stunden Videoaufnahmen entlang ausgewählter Straßenabschnitte in Baden-Württemberg zeigen: Wildwarnreflektoren haben keinen Einfluss auf das Verhalten von Wildtieren. "Die Tiere wurden durch Reflektoren nicht stärker in ihrem Verhalten beeinflusst im Vergleich zu Zeiträumen ohne Reflektoren", fasst Dr. Falko Brieger vom FVA-Wildtierinstitut zusammen. "Das Risiko eines Wildunfalls wird durch Reflektoren nicht verringert, so dass Wildwarnreflektoren keine geeignete Maßnahme in der Wildunfallprävention darstellen. Auch zeigen die Ergebnisse, dass die Farbe Blau keine Warnfarbe für Rehe ist und in Lichtexperimenten sogar die blau beleuchteten Futterboxen am häufigsten aufgesucht wurden."
Mögliche Lösungen: geringere Verkehrsgeschwindigkeit und Apps
Um die Zahl von Wildunfällen nachhaltig zu senken – was auch der aktuelle Koalitionsvertrag der Landesregierung Baden-Württemberg fordert – kämen mehrere Lösungsansätze in Frage: "Vieles läuft auf gezielte Maßnahmenbündel hinaus", erklärt Brieger. "Für einen flächigen Einsatz könnten unter anderem temporäre Geschwindigkeitsreduktionen oder Apps, die Verkehrsteilnehmende vor Straßenabschnitten mit hohen Zahlen von Wildunfällen warnen, Alternativen sein."
Wichtig sei, Wildunfälle zu erfassen und langfristig zu dokumentieren, damit Wildunfallschwerpunkte ermittelt und Maßnahmen umgesetzt werden könnten. Hier biete das Wildtierportal Baden-Württemberg per App eine gute Dokumentation von Wildunfällen oder auch die App "Tierfund-Kataster", die deutschlandweit durch die Landesjagdverbände eingeführt worden sei.
In Ausnahmefällen könnten Wildschutzzäune an besonders gravierenden Wildunfallschwerpunkten eingesetzt werden, sagt Brieger: "Wenn die Zäune dicht sind, sind sie eine effektive Maßnahme und erhöhen die Verkehrssicherheit." Allerdings seien bei längeren gezäunten Abschnitten Querungsmöglichkeiten wie Grünbrücken erforderlich. "Sie sind für den Biotopverbund und zur Wiedervernetzung von hoher Bedeutung, aber auch eine teure und aufwändige Maßnahme."
PDF-Download der Pressemitteilung
Weitere Informationen zu Lebensraumverbund und Wildunfällen auf der Website der FVA:
- Lebensraumverbund und Wildunfälle
- Was Sie über Wildunfälle wissen sollten: Häufig gestellte Fragen zu Wildunfällen und Prävention
- Abschlussbericht zur Wirksamkeit von Wildwarnreflektoren "Effektivität von optischen Wildunfallpräventionsmaßnahmen" (PDF 8,5 MB)
- Abschlussbericht "Erhebung der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren in Baden-Württemberg und Untersuchung der Wirkung von Wildwarnreflektoren auf Wildtiere am Straßenrand" (PDF 3,4 MB)