Wildtierfreundliches Freizeitverhalten
Die Funktion des Waldes vom reinen Nahrungs- und Rohstofflieferanten hat sich verstärkt zu einem Raum für Erholung und sportliche Aktivitäten entwickelt. Der Tourismus wurde zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum.
Heutzutage gibt es im Wald neben Forstwegen eine Vielzahl von Wander- und Radwegen. Diese werden im Winter durch Schneeschuhtrails, Loipen und Skipisten ergänzt. Modernste Sportausrüstung und Funktionsbekleidung ermöglichen die Ausübung von Freizeitaktivitäten bei jedem Wind und Wetter, am Tag und in der Nacht. Auch für Wildtiere bedeutet dieser Wandel eine Veränderung: es sind viele Menschen im Wald unterwegs, ehemals ruhige und abgelegene Waldgebiete werden zu allen Jahres- und Tageszeiten genutzt.
Wie können sich Wildtiere diesen neuen Gegebenheiten anpassen? Und was bedeutet das für unsere Freizeitaktivitäten?
Vier einfache Verhaltensweisen
...mit denen sich jeder Einzelne wildtierfreundlich in der Natur bewegen kann
- Wenn möglich auf markierten Wegen bleiben.
- Dämmerungs- und Nachtzeiten meiden.
- Wildruhegebiete und gesperrte Bereiche beachten.
- Hunde anleinen oder bei sich führen.
Wenn Sie sich tiefer mit einer wildtierfreundlichen Verhaltensweise im Wald beschäftigen möchten, besuchen Sie gerne unseren weiterführenden Link zur Broschüre "Wildtiere und Freizeitaktivitäten im Wald" oder schauen Sie sich den Abschlussbericht der Vorstudie "Anthropogene Störungen und ihre Auswirkungen auf Wildtiere im Schwarzwald" an.
Initiativkreis "Respekt Wildtiere"
Ein bewusster Umgang mit den Lebensräumen von Wildtieren sollte nicht nur als individuelle Aufgabe jeder einzelnen Person verstanden werden. Um den Bedürfnissen von Menschen und Wildtieren in unseren Wäldern gerecht zu werden, bedarf es individueller, regionalspezifischer Lösungsansätze. Erfolgreiche Besuchermanagementprojekte zeigen, dass Kommunikation und persönliche Kontakte eine Schlüsselrolle spielen, um einen Interessenausgleich herzustellen. Dabei hilft ein respektvoller Austausch der betroffenen Akteure auf Augenhöhe, der sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Störung von Wildtieren orientiert.
Zu diesem Zweck wurde vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) im November 2016 der Initiativkreis "Respekt Wildtiere" ins Leben gerufen. Er fungiert als Plattform für die landesweite Vernetzung und Abstimmung von Verbänden und Vereinen aus den Bereichen Natur- und Tierschutz, Jagd, Sport und Tourismus. Themenspezifische Arbeitsgruppen sollen herausarbeiten, welche Möglichkeiten das Jagd-und Wildtiermanagement Gesetz (JWMG) bietet, um Störungen der Wildtiere zu verringern. Dazu wurde ein Leitbild mit drei Handlungsfeldern verabschiedet.
Teilnehmende sind u.a.
Handlungsfelder im Initiativkreis "Respekt Wildtiere"
Forschung: Wissenslücken sollen geschlossen und objektive Ergebnisse als Diskussionsgrundlage und zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen geschaffen werden
Kommunikation: Die Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Initiativkreises sowie die externe Kommunikation, unter anderem in der Öffentlichkeit und an Schulen, soll auf die Thematik aufmerksam machen
Transfer: Konkrete Lösungsvorschläge sollen in Umsetzungsprojekten wie "Lernort Natur" erprobt werden, Empfehlungen für künftige Projektvorhaben sollen veröffentlicht werden
Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt begleitet den Initiativkreis mit ihrer fachlichen Expertise im Themenfeld menschlicher Aktivitäten in Wildtierlebensräumen. Durch die Verknüpfung von Fachwissen und Praxiserfahrung unterschiedlicher Akteure trägt der Initiativkreis zu einem zeitgemäßen und verantwortungsvollen Wildtiermanagement in Baden-Württemberg bei.
bewusstWild als Sprachrohr in der Fläche
Gute Kommunikation ist der Grundpfeiler für die Reduzierung von Störungen in Wildtierlebensräumen. Die Initiative bewusstWild hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen über die Bedürfnisse von Wildtieren zu informieren und Tipps zu wildtierverträglichen Verhaltensweisen im Wald zu geben. bewusstWild wird vom Verein Auerhuhn im Schwarzwald und dem Naturpark Südschwarzwald getragen. Der Initiativkreis "Respekt Wildtiere" unterstützt mit seiner Arbeit die Inhalte von bewusstWild und arbeitet eng mit der Initiative zusammen.
Weitere Informationen zur Initiative finden Sie hier.
Wegesperrungen für das Auerhuhn am Rohrhardsberg
Modellhafte Erfassung von Besuchern mittels Zählschranken
Raufußhühner, wie das Auerhuhn, zeigen an, wie gut ihr Lebensraum ist. Sie reagieren aufgrund ihrer Habitatbindung sensibel auf Lebensraumveränderungen und Störungen, wie zum Beispiel durch Freizeitaktivitäten und Tourismus.
Im Schwarzwald nimmt die Zahl der Auerhühner seit Jahren ab. 2013 gab es im Schwarzwald noch 500 bis 600 Tiere. Von 206 balzenden Hähnen im Jahr 2016 wurden 2018 nur noch 167 Hähne nachgewiesen. 2022 erreichte der Bestand mit 97 Hähnen einen Tiefstand, 2023 gab es eine leichte Erhöhung auf 106 Hähne. Hauptgründe für den Rückgang sind die Verschlechterung und der Verlust ihres geeigneten Lebensraums, Prädation, Klimawandel und zunehmende Freizeitnutzung. Besonders im Winter und während der Balzzeit sind die Tiere leicht zu stören, was ihre Überlebenschancen verringert.
Um Störungen während der Balzzeit zu reduzieren, wurden im April 2022 Wege in einem Balzgebiet im Schwarzwald gesperrt. Die Sperrung wurde von den Revierleitern von ForstBW organisiert, während das Wildtierinstitut der FVA die Maßnahmen begleitete. Dazu wurden Infrarot-Zählschranken auf gesperrten und offenen Wegen installiert. Mit den Zählschranken wollte man herausfinden, ob die Wegesperrungen funktionieren und ob die Sperrungen zur Beruhigung der sensiblen Gebiete beitragen.
Die Auswertung der Daten zeigte, dass die Sperrungen einen Einfluss auf die Frequentierung der Wege hatten: alle Zählschranken verzeichneten während der Sperrung weniger Zählungen. Die Umleitung erfasste während des Sperrzeitraumes mehr Zählungen als vor der Sperrung.
An den gesperrten Wegen wurden während der Sperrung jedoch auch Zählereignisse erfasst. An Wochenenden, Feiertagen und während der Schulferien gab es generell mehr Zählereignisse. Das Wetter spielte auch eine Rolle: Bei wenig Regen und Temperaturen über zehn Grad Celsius waren mehr Menschen unterwegs.
Zusammenfassend zeigen die ersten Ergebnisse, dass die Sperrung der Wege während der Balzzeit des Auerhuhns Einfluss auf die Besucherlenkung hatte. Weitere Untersuchungen sind jedoch notwendig, um genauere Aussagen treffen zu können. Die Aufstellung von mehr Zählschranken könnte helfen über einen längeren Zeitraum aussagekräftigere Daten zu sammeln. Da die Zählschranken keinen Unterschied zwischen menschlicher oder tierischer Durchquerung machen, sollte eine datenschutzkonforme Methode zur Kontrolle der Zählergebnisse entwickelt werden. So wäre es möglich falsche Zählungen durch Tiere auszuschließen. Auf Basis der Zählschrankenergebnisse kann dann diskutiert werden, ob gezielte Wegsperrungen zum Schutz des Auerhuhns sinnvoll sind.