Weiterentwicklung der Gesamtkonzeption Waldnaturschutz
Ausgangssituation
Im Jahr 2014 trat in Baden-Württemberg die Gesamtkonzeption Waldnaturschutz (GK WNS) in Kraft. Sie ist das Fachkonzept für den Wald, welches die Landesnaturschutzstrategie konkretisiert.
Die GK WNS hat zum Ziel, eine Vielzahl unterschiedlicher naturschutzfachlich-rechtlicher Rahmenbedingungen zu verknüpfen. Dies soll zur Auflösung von Zielkonflikten beitragen und die praktische Umsetzung von Arten- und Biotopschutz erleichtern.
Die bisher gültige GK WNS enthält zehn Ziele, die bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollten (s. "Die Gesamtkonzeption Waldnaturschutz ForstBW – mit den Waldnaturschutzzielen 2020"). Diese Ziele waren auf den Staatswald ausgerichtet und in diesem verbindlich umzusetzen. Für den Privat- und Körperschaftswald hat die GK WNS lediglich empfehlenden Charakter.
Der Grad der Umsetzung und Zielerreichung der zehn Ziele im Staatswald wurde seitens ForstBW und FVA evaluiert.7
Für folgende Ziele wurde ein guter Umsetzungsstand bescheinigt:
- Ziel 1 – Regionaltypische, naturnahe Waldgesellschaften erhalten
- Ziel 2 – Lichtbaumarten mit 15 % beteiligen
- Ziel 4 – Historische Waldnutzungsformen erhalten und fördern
- Ziel 6 – Managementkonzept für Waldzielarten erarbeiten
Einen mittelmäßigen Umsetzungsstand erreichten die Ziele:
- Ziel 3 – Lichte Waldbiotope auf Sonderstandorten erhalten
- Ziel 7 – Arteninformationssystem und Monitoring für Waldzielarten erarbeiten
- Ziel 8 – 10 % Prozessschutzflächen ausweisen
- Ziel 9 – Praxisorientiert forschen
- Ziel 10 – Transparenz und Kommunikation verbessern, Kompetenzen stärken
Ein unzureichender Umsetzungsstand wurde lediglich bei einem Ziel bescheinigt:
- Ziel 5 – Wälder nasser Standorte sichern und wiederherstellen
Als Gründe hierfür wurden beispielsweise der hohe Zeitaufwand für fachliche Voruntersuchungen, die zeitaufwändige Planung und Genehmigung, die fachgerechte Auflösung von Zielkonflikten sowie der oft erhebliche finanzielle Aufwand genannt. Diese Gründe können als typische Umsetzungshindernisse der noch nicht abgeschlossenen GK WNS-Ziele gesehen werden.
Ziel der Weiterentwicklung der Gesamtkonzeption Waldnaturschutz
Die noch nicht voll erfüllten Ziele sollen weiter umgesetzt werden. Dazu müssen die bisher bestehenden Umsetzungshemmnisse analysiert und möglichst abgebaut werden.
Eine Kritik an der bestehenden GK WNS ist, dass die zugrundeliegenden Fachkonzepte entgegen der eigentlichen Zielsetzung oft losgelöst voneinander nebeneinander bestehen und kaum verflochten beziehungsweise gegeneinander abgewogen werden. Die Fachkonzepte werden und wurden mit den Zielen und weiteren schon bestehenden Waldnaturschutzinstrumenten (z.B. Alt- und Totholzkonzept sowie Natura 2000 im Wald) verfolgt.
Um die Weiterentwicklung der GK WNS in diesem Aspekt voranzubringen, wird erwogen, die bisherigen Ziele mit den bereits identifizierten Zukunftsthemen zu verschneiden. Dadurch sollen Schnittpunkte deutlich und die Interaktion der neu aufgestellten Ziele erhöht werden. Themen, die sich durch die meisten Ziele durchziehen und in Zukunft mehr Beachtung finden müssen sind beispielsweise:
- Kommunikation (Information und Dialog),
- Praxisbezug / Rechtsicherheit in der Praxis,
- Biotopverbund.
Ein zentraler Faktor, der allen Überlegungen des Biotop- und Artenschutzes zugrunde liegen muss, ist der Klimawandel. Er bewirkt dynamische Veränderungen der standörtlichen Eigenschaften, was sich zum Beispiel in Verschiebungen von potenziellen Biotop- und Artvorkommen äußern kann. Entsprechend dynamisch müssen auch die Leitbilder und Maßnahmen der neuen GK WNS mit sich ändernden Umweltfaktoren umgehen können.
Neben dem Klimawandel müssen auch die Besitzverhältnisse der Waldflächen künftig mehr im Fokus stehen: In Baden-Württemberg sind rund ein Viertel der Waldflächen in Landeseigentum. Die Vorkommen der Schutzgüter sind in der Regel nicht primär durch die Waldbesitzarten beeinflusst. Ein umfassender Biodiversitätsschutz sollte daher auch die Privatwald- und Körperschaftswaldbesitzenden einbinden. Ihre freiwillige Kooperation muss durch angemessene Instrumente zur Information und finanzielle Förderung sowie Kommunikation und Kooperation auf Augenhöhe mit allen relevanten Akteursgruppen gewonnen werden. Entsprechende Instrumente sind im Rahmen der Weiterentwicklung vorzubereiten.

Abb. 4: Dachstruktur der Gesamtkonzeption Waldnaturschutz
Anfang 2020 wurden die Verwaltungsaufgaben für den Wald in Baden-Württemberg zwischen ForstBW (Staatswald) und der Landesforstverwaltung (Privat- und Körperschaftswald) aufgeteilt. Diese Aufgabenteilung wird sich auch in der Struktur der zukünftigen GK WNS widerspiegeln (s. Abb. 4).
Eine Gesamtstrategie soll die Zielzustände darstellen, die über alle Waldbesitzarten hinweg anzustreben sind. Umrahmt von diesem gemeinsamen strategisch-politischen Dach sollen besitzartenspezifische Teilkonzeptionen entwickelt werden: Die Landesforstverwaltung konzentriert sich darauf, das Thema durch Information, verständliche Formulierungen und Abläufe, sowie Förderung für Waldbesitzende attraktiv zu machen. Für den Staatswald – und damit ForstBW – bleibt die Umsetzungsverbindlichkeit bestehen. Hier kann man sich auf eine möglichst umfassende, fachlich stimmige und effiziente Umsetzung der Maßnahmen konzentrieren. In allen Fällen müssen die notwendigen Ressourcen für eine erfolgreiche Umsetzung bereitgestellt werden.
Als Ergebnis des Weiterentwicklungsprozesses wird eine Gesamtkonzeption zum Waldnaturschutz auf Landschaftsebene angestrebt, die den Wald in Baden-Württemberg als Ganzes sieht und waldzugehörige Landschaftselemente in die Planung einschließt.
Jedoch werden auch regionale Aspekte berücksichtigt: Aus der Vogelperspektive soll sich ein großes Ganzes ergeben, statt eines Flickenteppichs unzusammenhängender Maßnahmen. Durch räumliche und zeitliche Priorisierung der Maßnahmen sollen die vielfältigen Waldnaturschutzziele im Wald bestmöglich umgesetzt werden können, Zielkonflikte zwischen Waldnaturschutzzielen und Ökosystemleistungen werden möglichst umfassend gelöst. So soll ein „größtmöglicher Gesamtnutzen“ aller Ökosystemleistungen gewährleistet werden. Die Zielvorgaben müssen dabei regional so konkret sein, dass die lokal Verantwortlichen konkrete Maßnahmen ableiten können und auch Kriterien für eine Wirkungskontrolle gegeben sind. Die GK WNS muss die unterschiedlichen Aufgaben von der Landesforstverwaltung (LFV) und ForstBW berücksichtigen.
Weitere Informationen
- Zur Seite des MLR "Waldnaturschutzkonzeption des Landes Baden-Württemberg"
- Zum Artikel Waldzielartenkonzept und Waldnaturschutz-Informationssystem: Instrumenten zur Artenförderung im Staatswald von Baden-Württemberg
- ForstBW - Die Gesamtkonzeption Waldnaturschutz
- Zur Broschüre ForstBW PRAXIS "Die Gesamtkonzeption Waldnaturschutz ForstBW" (PDF 3,7 MB)
- Zum Artikel Temperate Mountain Forest Biodiversity under Climate Change: Compensating Negative Effects by Increasing Structural Complexity