Vom Dynamit-Rezept zum Klimawandel-Podcast – 150 Jahre Wissenstransfer

Waldwissen für unterwegs gefällig? Im Jubiläumsjahr der FVA 2022 feierte der Podcast der FVA Astrein – Wald.Mensch.Wissen Premiere, in dem Direktor Ulrich Schraml mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über migrierende Bäume, unterirdisches Leben, die Psychologie des Waldbesuchs und viele weitere spannende Themen aus der Forschungsarbeit der FVA plaudert.

Unsere Medien und Themen mögen neu sein. Aber die Mission dahinter ist 150 Jahre alt.

Schon der erste Leiter der Württembergischen Forstlichen Versuchsanstalt Prof. Baur hat als Redakteur der „Monatsschrift für das Forst- und Jagdwesen“ den Anspruch formuliert, „Fachgenossen […] Mittheilungen zu machen“.

Dabei ging es oft um Fragen des Waldwachstums, insbesondere der Erfassung der Hauptholzarten und Möglichkeiten, deren Erträge zu steigern: „Diese Messergebnisse sollen Hinweise geben, wie sich Eingriffe und Maßnahmen am Zuwachs der Bäume auswirken und anhand der einzelnen Wuchsleistungen, die standörtlich und ökonomisch optimale Bewirtschaftungsart aufzeigen.“

Dynamitpatronen und Nitroglycerin

Es wurde auch über aus heutiger Sicht kurios anmutende Verfahren berichtet, so zum Beispiel über „Vergleichende Untersuchungen über die Gewinnung des Stockholzes mittelst Anwendung von Dynamit und Sprengpulver oder Keil und Axt“. Dabei sollte ermittelt werden, welches Verfahren kostengünstiger und schneller für die Aufbereitung zur Verkohlung für die Hüttenwerke ist. Die Forstpraktiker konnten hier nachlesen, wie Dynamitpatronen aus Nitroglycerin (Sprengöl) und Kieselpulver herzustellen sind und wie die Sprengung durchzuführen ist – mit dem fürsorglichen Hinweis, dass man die Patronen besser nicht in der Nähe von Feuern und in engen Arbeiterwohnungen lagern sollte. „Die Explosion erfolgt dann durch entzünden der Zündschnur mittels Zigarre oder brennendem Schwamm (Zunder) etc. um dann hinter einem Baum oder einem Holzstoß Deckung bis nach erfolgter Explosion zu suchen, welche nach etwa einer Minute zu erfolgen pflegt.“ 

Manche der Zeitschriften, die damals schon Forschungserkenntnisse in die Praxis gebracht haben, sind heute noch gern gelesen: Die Allgemeine Forst- und Jagdzeitung (AFJZ) gab 1878 erstmals Prof. Lorey, damals Leiter der Württembergischen Forstlichen Versuchsanstalt, gemeinsam mit Prof. Lehr  vom badischen Polytechnikum Karlsruhe heraus.  Die oben zitierte „Monatsschrift für das Forst und Jagdwesen“ war die Vorläuferin des späteren „Forstwissenschaftlichen Centralblatt“. Neben wissenschaftlichen Aufsätzen wurden auch literarische Berichte veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Denn in der Wissenschaft muss immer wieder auch gestritten werden. So wird Lorey zitiert, „daß jede nicht leichtsinnig aufgestellte Ansicht bei Lösung von wissenschaftlichen Problemen gehört werden müsse“. In den 1870er Jahren werden u.a. solche Themen behandelt: „Der Waldwegebau und seine Vorarbeiten„, „Die Hauptergebnisse der Forstvermessung und =Einrichtung im Großherzogtum Baden nach dem neusten Stande“ und „Anzucht der italienischen Pappel aus Samen“, ein Beitrag zu dem Prof. Vonhausen von einer 42-jährigen italienischen Pappel mit einem Durchmesser von 1,50 m im Forstgarten des Karlsruher Polytechnikums inspiriert wurde. Auch die Badische Forstliche Versuchsanstalt verbreitete ihre Versuchsergebnisse, zum Beispiel zur Leistungsfähigkeit von Arbeitsgeräten bei der Holzfällung, im „Mittelbadischen Kurier“ 1927.

Wenig Papier, unklare Autorschaft

In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts ist „Der durchschnittliche Umfang der wissenschaftlichen Veröffentlichungen [..] in keinem Lande so groß wie in Deutschland.“  Die eifrige Publikation forstlichen Wissens erhielt ausgerechnet durch Papierknappheit (und hohe Druckkosten) im Rahmen der Weltwirtschaftskrise einen Dämpfer. 1931 rufen die Herausgeber forstwissenschaftlicher Fachzeitungen zu Kürzungen der eingereichten Texte auf. Beiträge sollten möglichst kurz und ohne umfangreiche Heranführung der Problematik, ohne Einzelheiten der technischen Versuchsanordnung und Abbildungen und vor allem ohne Tabellen erscheinen.  Eine Vorgehensweise, die die Nachvollziehbarkeit und Vergleichsuntersuchungen heute deutlich erschweren. Auch an anderer Stelle wird zu viel am Text gespart: 1932 wird in der AFJZ eine „Unsitte im forstlichen Schrifttum“ bemängelt, bei der Verfasser – ganz nach behördlichem und militärischem Brauch – nur mit Nachnamen oder Örtlichkeit genannt werden und zur Nennung des vollständigen Vor- und Familiennamens – analog zu Gattungs- und Artnamen nach Linné – aufgerufen wird. So könne doch verhindert werden, dass „[…] alle Müller oder Schuster [oder Väter und Söhne] gewissermaßen zu einem einzigen Autor werden.“ 

Trotz Papierknappheit finden wichtige Veröffentlichungen ein weltweites Publikum, zum Beispiel die Idee der Mittelstammtarife bei Holzvorratsinventuren vom Leiter der Badischen Forstliche Versuchsanstalt Prof. K. Krenn.  

Alte Mission, neue Medien

Die Mission „Fachgenossen […] Mittheilungen zu machen“  spielt auch 150 Jahre nach ihrer Benennung eine große Rolle an der FVA. Der Bereich Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit  betreut neben bewährten Formaten wie wissenschaftlichen Arbeiten, die auf der Webseite zur Verfügung gestellt werden, viele  neue Formate: Von der systematischen Pressearbeit über die Wissensplattform Waldwissen.net und den Podcast bis hin zu Social Media wird die gesamte Klaviatur an moderner Öffentlichkeitsarbeit bespielt, um sowohl Forstleute als auch alle anderen Interessierten über die Arbeit der FVA auf dem Laufenden zu halten.

Recherche und Text: Hilke Schröder

PDF-Download des Kapitels mit Quellen

 

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