Das hölzerne Zeitalter 2.0

Die Nutzung von Wald bzw. der Verbrauch von Holz unterlag in den vergangenen Jahrhunderten ständigem Wandel. Kulturelle, soziale und politische Bedürfnisse veränderten und verändern sich stetig. Von Städte- und Siedlungsbau, unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen über technischen Fortschritt bis hin zu klimatischen Ereignissen – all diese Faktoren verändern den Anspruch an den Wald und seine Produkte.

Neben der Nutzung des Holzes als Bauholz wurde es als Brennholz und für die Köhlerei genutzt. Aber auch wegen seiner Baumfrüchte wurde der Wald genutzt – für die sogenannte Mast als Tierfutter und die Blätter dienten als Einstreu für die Tierhaltung. Oft waren diese Nebennutzungen sogar wichtiger als das Holz, wie dies der erste Leiter der Württembergischen Forstlichen Versuchsanstalt, Prof. Dr. Baur, beschreibt:

Die vielfältigen Verwendungen von Holz und Waldprodukten führten zu einer Übernutzung der Wälder. Zu Beginn bis Mitte des 19. Jahrhunderts brachte genau diese die Forstwirtschaft hervor, deren Aufgabe es war, den Wald zu erhalten und wieder aufzubauen. Keine leichte Aufgabe, damals wie heute, denn Wälder lassen sich aufgrund der langen Lebensdauer eines Baumes nicht von einem Tag auf den anderen an die Bedürfnisse der Gesellschaft anpassen. Forstleute warnten damals davor, Wälder kurzsichtig zu Geld zu machen – zum Beispiel für die Finanzierung der Kriegskassen wie es in anderen Ländern üblich war. 1870 wurde in der Februarausgabe der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung unter der Rubrik "Kleine Sünden. Plaudereien aus der Schule der Praxis" eine vorausschauende Planung empfohlen: So ließe sich zum Beispiel bereits bei der Aufstellung der Fällungsvorschläge und Schlagauszeichnung auf die Wechselwirkung von z. B. hoher Brennholznachfrage nach einem strengen Winter oder die mit einer reichen Ernte einhergehende erhöhten Baulust und somit steigende Nachfrage nach Bauholz, reagieren (unbekannt 1870, S.51).

Bausektor und Femelschlag

In dieser Zeit wurden – auch an der FVA – neue Techniken für die Förderung des Baumwachstums entwickelt, die den gesellschaftlichen Verwendungsweisen des Holzes angepasst sein sollten. Dabei spielen kleinklimatische und standörtliche Bedingungen, Wasser- und Nährstoffversorgung oder das zur Verfügung stehende Platz- und Lichtangebot eines Baumes eine Rolle. Prof. Dr. Vonhausen hinterfragte als einer der ersten Leiter der Badischen Forstlichen Versuchsanstalt, in seinem 1870 erschienen Artikel den damals im Schwarzwald gängigen "Femelschlagbetrieb mit verlängerter Verjüngungsdauer" von gewöhnlich 30 bis 40 Jahren und stellte zur Diskussion, ob "die natürliche Verjüngung der Weißtannenbestände in einem kürzeren Zeitraum von circa 12 bis 20 Jahren auch mit Erfolg ausführbar" ist.

Denn Eisen spielte eine zunehmend große Rolle im Bausektor und die Nachfrage nach Holz hatte sich verändert. Hatte man zuvor mittels eines sogenannten "Lichtungszuwachses" – denn Bäume reagieren auf eine plötzliche Freistellung mit der Anlage breiterer Jahresringe, also einem stärkeren Holzzuwachs – einen höheren Verkaufswert für Starkholz erzielt, so wurde dieses nun vermehrt durch den Baustoff Eisen ersetzt.

Anlässlich steigender Nachfrage nach feinjährigen Nadelhölzern, welche als Schnittholz "dauerhafter, elastischer und zäher, sich weniger werfend und schwindend gelten", regte er eine Veränderung der Bewirtschaftung an. Da schon manche Teile des Schwarzwaldes durch die Eisenbahn erschlossen waren, bzw. sich bereits im Bau befanden, führte Vonhausen an, dass die ansteigende Holzausfuhr die noch bestehende Preisdifferenz zum Starkholz zukünftig ausgleichen würde.

Trotz der von ihm angeführten Nachteile der bisherigen Bewirtschaftung wie zum Beispiel das schlechtere Wuchsverhalten der jungen Bäume aufgrund der langen Verschattung durch die Mutterbäume, die stärkere Beschädigung der Verjüngung durch Holzernte und Abtransport der Stämme, Sturmwurf und Spätfrostgefahr aber auch höherer Wildschäden und Holzerntekosten, wies Vonhausen abschließend darauf hin, dass die lange Verjüngungsdauer damals ihre volle Rechtfertigung hatte. Waren doch die alten Weißtannenbestände im Schwarzwald Überreste des Femelbetriebs, welcher erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgegeben worden war (Vonhausen 1870, S.93).

Unterschiedliche Nutzung, unterschiedliche Verwendung

Aus der Erkenntnis, dass die Nutzung des Waldes einer sich gegenseitig konkurrierenden Mehrfachnutzung unterliegt, gelangte man zu dem Ansatz, jedes Walderzeugnis seiner besten und geeignetsten Verwendung zuzuführen. Unter Berücksichtigung der Waldpflege, der bestmöglichen Bedarfsbefriedigung und möglichst hoher Wertschöpfung, forschten die Forstwissenschaftler über die Zusammenstellung der Holzarten nach ihren wichtigsten Verwendungsweisen als z. B. Bau- und Brennholz, Eisenbahnschwellen, Papierbereitung und die für deren Gewinnung vorausgehende Holzernte und dessen Transportwesen. Aber auch über die Ursachen und Vermeidung von Holzfehlern und -schäden sowie Holzlagerung. Dieses Forschungsfeld unterlag einem sehr starken Entwicklungsprozess. Von anfänglich ausschließlicher Handarbeit bis hin zur hochtechnisierten Holzbereitstellung.

Wie sieht es heute aus?

Auch heute ist Holz ein gefragter Baustoff und seine Vorteile im Rahmen des Klimawandels wurden längst erkannt: Es bindet CO2, ist ökologisch abbaubar und hat gute Dämmeigenschaften. Außerdem sorgt es für ein gesundes Raumklima, ist leicht zu verarbeiten und nicht zuletzt – es wächst immer wieder nach. Holz als Baustoff kann dazu beitragen, klimaschädliche Baustoffe zu vermeiden und gegen die Erderwärmung vorzugehen. Obwohl heute erneut von einem Holzzeitalter gesprochen werden könnte, setzen Forschung und Baugewerbe daran, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Der Wald ist nicht länger lediglich ein Ort für den Gewinn von Rohstoffen. Er wird als das hochkomplexe und unverzichtbare Ökosystem wahrgenommen, das er ist. Nicht nur die Bedürfnisse der Gegenwart stehen im Vordergrund, sondern vor allem im Hinblick auf den Klimawandel die Frage, wie die Zukunft gestaltet werden kann: Welche Baumarten können in den Wäldern von morgen stehen? Wie kann der Artenschutz optimiert werden? Wie können wir in Wäldern Ökosystemleistungen erhalten und die Bedürfnisse einer künftigen Gesellschaft erfüllen? Insbesondere der Walderhalt und der zukunftsorientierte Waldbau stehen im Mittelpunkt der Wald- und Holzforschung. Den Wald vor lauter Holz nicht mehr sehen? Das hölzerne Zeitalter 2.0 will diesen Fehler nicht wiederholen.

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