"Am Holz naschenden Thieren ist diese Gewohnheit möglichst abzuthun"

Der Rehbock fegt, das Eichhörnchen scharrt, der Specht hackt, Insekten saugen, fressen und bohren und der Eichelhäher macht seinen Konsum von Samen durch seine „leidenschaftliche Gewohnheit Eicheln, Bucheln und Tannensamen von einer Stelle zur anderen [...] zu tragen und im Boden zu verstecken“ (Nördlinger 1884) wieder wett – im Wald tut sich immer etwas!

Ob dies alles für den Wald immer positiv ist oder ihm auch schadet und wie dieser Schaden verhindert bzw. wie ihm zum Schutz des Waldes begegnet werden kann, beschäftigt gegen Ende des 18. Jahrhunderts – als „aus vielen Gegenden Deutschlands Klagen einlaufen über die Ueberhandnahme schädlicher Thiere“ (Bernhardt 1869, S.49) – auch die Forstwissenschaft.

So macht August Bernhardt, in seinem Buch über die „Waldwirtschaft und den Waldschutz“ die Waldrodung mit einhergehender Ackerflächenzunahme, aber auch „die moderne Forstwirthschaft, welche die zuwachslose, kernfaule Eiche“ […], in der „der Höhlenbrüter seinen Aufenthalt fand […].“ verantwortlich. Er unterstreicht seine Aussage mit „Nur der Mensch trägt die Disharmonie hinein in das Gleichgewicht der Schöpfung“. (Bernhardt 1869, S.49)

Zwei Pfennig pro Nonnenschmetterling

Begleitet wird dieses vermehrte Auftreten schädigender Insekten mit der Diskussion, ob die Forstwirtschaft durch das Absammeln überhaupt in der Lage ist, auf das entstandene Schadereignis einzuwirken. So beschreibt z. B. ein Forstmann aus Ebersdorf in der AFJZ von 1871 über ein drei Jahre andauerndes energisches Sammeln und Vertilgen weiblicher Nonnenschmetterlinge in seinem fichtendominierenden Forstamt. Diese Nonnen werden mit Hilfe der Bevölkerung zwar tot aber noch bestimmbar eingesammelt und mit einem Fanggeld von zwei Pfennig pro Stück vergütet. „Doch der erste Versuch, die Schmetterlinge zu verbrennen, war auch der letzte, denn das Explodieren derselben erregte Bedenken wegen Feuersgefahr, sie wurden dann in Abtritte geworfen, in welchen nach mehreren Tagen noch lebende Schmetterlinge umherkrochen. Doch war der Gestank ein so ekelhafter pestartiger, daß Desinfektionsmittel angewendet und die Schmetterlinge später tief eingegraben werden mußten.“

Deutlich war, dass es nur mit genauer Kenntnis der Lebensweise des oder der Verursacher von Schadbildern möglich ist, dieses richtig wahrzunehmen, einzuordnen und dessen Bedeutung zu beurteilen.

„Lehrbuch des Forstschutzes. Abhandlung der Beschädigung des Waldes durch Menschen, Thiere und die Elemente unbelebter Natur, sowie der dagegen zu ergreifenden Massregeln“

Umfangreiches Wissen über sowohl positiv als auch negativ auf den Wald einwirkende Einflüsse veröffentlicht 1884 Hermann Nördlinger in seiner Zeit als Professor der Universität Tübingen und Leiter der Württembergischen Forstlichen Versuchsanstalt in seinem „Lehrbuch des Forstschutzes. Abhandlung der Beschädigung des Waldes durch Menschen, Thiere und die Elemente unbelebter Natur, sowie der dagegen zu ergreifenden Massregeln“.

Er weist darauf hin, dass das „durch außergewöhnliche Witterung und einen krankhaften Zustand der Wohnpflanze“ begünstigte massenhafte Auftreten waldschädigender Tiere nicht allein durch deren jeweiligen natürlichen Fressfeinde eingedämmt, aber durchaus unterstützend vermindert werden kann. So rät er, obwohl jeder natürliche Fressfeind auch ein vereinzelt schädigendes Auftreten habe, zur Schonung dieser Tiere.

Verborgene Bewohner oder neue Arten?

Neben vielen weiteren Themen setzen sich Forstleute damals auch damit auseinander, ob neu entdeckte Insekten tatsächlich als sogenannte „Einwanderer“ oder lediglich bislang dem Menschen unbekannte, ja verborgene Bewohner des Waldes sind. Die Fragestellung, inwieweit der Staat bei der Beseitigung von käferbefallenem Holz auf Privatwaldbesitzende einwirken kann, oder ob hier nicht eher eine Verpflichtung zu vorbeugenden Maßnahmen wie Durchforstung, zeitnahe Holzabfuhr und Insekten-Monitoring zielführender ist, wird diskutiert. Ebenso der Kontext von vorbeugenden waldbaulichen Maßnahmen zu baumschädigenden Pilzen.

Neben dem Erschießen des Wildes versucht man unter anderem auch mit aus heutiger Sicht obskuren Methoden, neu gepflanzte Bäume und aufkeimende Naturverjüngung vor Schäden zu bewahren. Um von den Forstpflanzen abzulenken bzw. deren Schädigung abzuwehren, werden z. B. Mandelkerne oder Stöcke nicht heimischer Baumarten, in die entsprechenden Tierbauten eingebracht. Ebenso vergräbt man Fangtöpfe in Gräben, welche um die Saatschulen herum angelegt werden, in die die angeköderten Mäuse mittels Kippfallen hineinstürzen sollen.

Bunter Strauß an Einflüssen auf den Wald – Mensch, Klima und Industrie

Neben Insekten und Mäusen sind weitere Faktoren, die auf die Gesundheit des Waldes einwirken, auch im 19. Jahrhundert bereits identifiziert: „Eingriffe durch sorglose dem Walde näherstehende Personen vorkommende Befrevelungen des Waldes durch Harzreissen, Saftzapfen, Weiden, Grasen, Heidehacken, Moos- und Laubharken schaden dem Walde samt und sonders.“ Darüber hinaus werden Waldbrände, verursacht durch die Köhlerei oder durch den Funkenflug kohlebetriebener Lokomotiven, genannt, Bodenauswaschungen und -erosionen infolge einer Übernutzung des Waldes. Klimatische Ereignisse wie Hitze und Trockenheit, Frost, Schneebruch und Sturm und dessen jeweiligen Auswirkungen auf den Wald, den einzelnen Baum und dessen Holzqualität beschreibt Nördlinger in seinem Lehrbuch.

Bereits 1883 nennt Nördlinger die von den Hütten oder Fabriken ausgehauchten sauren Gase und Flugstäube gegenüber dem Holzfeuer- und Steinkohlerauch, als noch gefährlicher für die Belaubung der angrenzenden Bäume. Er beschreibt „das Verbleichen, Kümmern, Verkrüppeln, Fleckig-, besonders Rothspitzig werden und Absterben von Blättern und Nadeln“. Ebenso nachfolgende Schäden wie die Verödung und Trockenheit der Böden mit einer sich im ferneren Verlaufe dazugesellenden „Abfluthung“ kahler Berghänge. Er weist ganz konkret auf einen Schwefelsäuregehalt von 0,55 bis 1,33 % der dem Hüttenrauch ausgesetzten Belaubung hin und auf die Zunahme des Chlorgehalts bei Vergiftung mit Salzsäuren. Die Folgen benennt er mit Verlust der Belaubung, unregelmäßiger Verlauf der Holzringe, Zuwachsverlust und höherer Anfälligkeit gegenüber schädigenden Insekten.

Die stärkere Robustheit der Laubhölzer vor allem der Eiche, gegenüber den Nadelhölzern mit Ausnahme der Lärche, begründet Nördlinger mit dem jahreszeitlich bedingten Abfall bzw. der alljährlichen Erneuerung der Blätter und Nadeln.

Zeitsprung: Vom 19. ins 20. Jahrhundert

Die Fragilität des Ökosystems Wald wird in den letzten Kriegsjahren des zweiten Weltkriegs nochmals besonders deutlich, denn bereits ab 1943 werden die ersten Hinweise auf eine, Jahre später auftretende Fichten-Borkenkäfer-Massenvermehrung sichtbar. Kriegsbedingte Aufarbeitungsrückstände des zuvor angefallenen Sturmholzes aufgrund fehlendem Forstpersonals, das aus Kostengründen vom Reichsforstamt erlassenen Entrindungsverbot von Seiten der Forstverwaltung, die als Reparationsleistung entstandenen riesigen Kahlflächen der sogenannten F- Franzosen und E- Engländer –Hiebe und die trockenen Sommerjahre 1944 und -45 führen 1946 zu einer entsprechenden Käferexplosion.

Zeichen der Zeit – Neue Forschungsstelle an der FVA

Diese Entwicklung ist der Anstoß, eine weitere Außenstelle der FVA zur zentralen Borkenkäferbekämpfung als „Forstschutzstelle Südwest“ in Ringingen einzurichten. Die Entwicklung eines kombinierten mechanisch-chemisches Bekämpfungsverfahren, welches mittels einer Mischbrühe aus Kalkarsen als Fraß- und einem weiteren Berührungsgift auf die Stämme ausgebracht wird, ersetzt das zuvor personal- und zeitintensive Entrinden der Stämme mit anschließendem Verbrennen des Brutmaterials. Diese Methode ist Grundlage für die anschließend landesweite, nach einem festen Verfahren durchgeführte, chemische Borkenkäferbekämpfung.

Die Trockenheit hält noch bis 1949 an und führt in den darauffolgenden Jahren 1951 und 52 zu einer Vermehrung des Buchen-Prachtkäfers, was einen zusätzlich erheblichen Einschlag von Buchenholz nach sich zieht. Die noch nicht vollständig abgeschlossene Wiederaufforstung dieser großen Kahlflächen, welche die Gefahren von starker Verunkrautung bzw. Vergrasung, schnellem Humusabbau und Bodenabschwemmung beinhaltet, aber auch die ungünstigen Klimaeinwirkungen wie Frost, Trockenheit und Hitzestress, denen die neu eingebrachten Jungpflanzen ausgesetzt sind, führt 1953 auf diesen großen Flächen zu einer Massenvermehrung weiterer zahlreicher schädlicher Insekten von unbekanntem Ausmaß und vielfältigem großräumigen Chemieeinsatz.

Integrierter Waldschutz zur Gesunderhaltung des Waldes

1955 wird die „Forstschutzstelle Süd-West“ nach Wittental bei Freiburg verlagert, in dessen Gebäude noch heute die „Professur für Forstentomologie und Waldschutz“ der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg anzutreffen ist. Auch nach Gründung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg 1958, bleibt die Wittentaler Außenstelle unter Stuttgarter Leitung bestehen.

Waldschutz heute

Der Waldschutz orientiert sich heute in der Beratung und Forschung an den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes. Zur Gesunderhaltung des Waldes sollen hierbei biologischen, biotechnischen, pflanzenzüchterischen sowie anbau- und kulturtechnischen Maßnahmen gegenüber der Anwendung von synthetischen Pflanzenschutzmitteln der Vorzug gegeben werden. Im Rahmen des Waldschutzes sind vorbeugende waldbauliche Maßnahmen, welche den Waldbestand vital und gesund erhalten wie z. B. regelmäßige Durchforstung, Mischbestände und naturnaher Waldbau grundlegend. Empfehlungen für möglichst gezielte und schonende therapeutische Maßnahmen werden auf Grundlage von Monitoring und Prognose der Schadorganismen gegeben.

Titelzitat: (Nördlinger 1884, S.488)
Bernhardt, A. 1869. Die Waldwirthschaft und der Waldschutz: mit besonderer Rücksicht auf die
Waldschutzgesetzgebung in Preußen. Springer.
Nördlinger, H. 1884. Lehrbuch des Forstschutzes.
Recherche und Text: Hilke Schröder

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