Vielfalt mit Geschichte – Interdisziplinäre Waldforschung an der FVA

An der FVA findet sich heute eine enorme Vielfalt von Menschen: Personen verschiedenster fachlicher Hintergründe, sozialer und geographischer Herkünfte sowie Interessen. Das war nicht immer so. Noch weit bis in das 20. Jahrhundert sind die Ableistung des Militärdienstes und eine familiäre Forsttradition wesentliche Zugangskriterien zu einer forstlichen und auch zu einer forstwissenschaftlichen Karriere. Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie homogen das Forstwesen und mit ihm die frühen Forschungsanstalten einmal waren und wie die FVA immer diverser wurde.

In den Feudalsystemen gegen Ende des Mittelalters ist der Anspruch an das Forstpersonal vor allem die Loyalität gegenüber dem Dienstherrn. Die Aufgaben des hoheitlichen Forstschutzes bringen einige Privilegien mit sich, deren Missbrauch verhindert werden soll. Um sich Kosten für die Ausbildung zu sparen, lokales Wissen über Generationen zu erhalten und zugleich die nötige Loyalität zu gewährleisten, wird der Nachwuchs meist aus bereits bewährten Försterfamilien rekrutiert.
Als dann Mitte des 18. Jahrhundert. der Wald an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnt, entwickelt das Forstwesen eine eigene administrative Organisation, in der vor allem Zuverlässigkeit, Gehorsam und Tüchtigkeit geschätzt werden. In Folge dessen werden bevorzugt Beamte nach Ende ihres Militärdienstes eingestellt. Viele leitende Stellen der Forstverwaltung sind bis in das 19. Jahrhundert hinein mit Söhnen des (verarmten) Landadels besetzt. Die einflussreichen Ämter erfordern keine wissenschaftliche Ausbildung und versprechen zugleich gute Löhne und hohes Ansehen. So bleibt der Forstberuf lange Zeit für die meisten verschlossen – für Frauen, Bürgerliche, Menschen ohne familiären forstlichen und ohne militärischen Hintergrund.

Obwohl auch die Forstlichen Versuchsanstalten in diesem Kontext entstehen, zeigt sich dort ungewöhnlich rasch eine Diversifizierung. Die Vervielfältigung der Fachbereiche fördert auch die Vielfalt des Personals. Für viele Fragestellungen der forstlichen Forschung sind spezielle Kompetenzen nötig, für die man schon früh unterschiedliche Disziplinen zu Rate zieht. Nicht zuletzt geschieht dies durch die Anbindung der Anstalten an die Universitäten – eine Personalunion die für die Badische Forstliche Versuchsanstalt erst 1958 mit der Gründung der heutigen FVA endet.
Ein frühes Beispiel für Vielfalt ist Elisabeth von Gaisberg, die nach einem Studium der Biologie ab 1923 15 Jahre als botanische Assistentin an der Württembergischen Versuchsanstalt arbeitet. Einen ähnlichen Weg nehmen später weitere der wenigen zum Forst-Studium zugelassen und in die Forstverwaltung übernommenen Frauen. Deshalb wird das Kürzel FVA zu dieser Zeit hinter vorgehaltener Hand zu „Frauen-“ oder auch „Förster-Verwahr-Anstalt“ umgedeutet, ein Spitzname, der sich lange gehalten hat und bis heute gelegentlich im Spaß zitiert wird.

Worüber früher gespottet wurde, das erweist sich heute als Stärke der FVA: Die Forschungsfelder der FVA und damit auch die nötige Perspektivenvielfalt und Offenheit für Disziplinen und Menschen wachsen immer weiter – und damit auch ihre Diversität. Heute arbeiten rund 340 Personen bei der FVA in interdisziplinären Teams. Darin spiegeln sich die komplexen Fragen unserer Zeit und die Einsicht in die Komplexität des Ökosystems Wald: Wir nutzen zu seiner Erforschung ein breites Spektrum der Wissenschaften von Forstwissenschaft über Biologie, Ökologie, Umweltwissenschaften, Mathematik und Informatik bis hin zur Psychologie und Sozialwissenschaft, um nur einige zu nennen. Die FVA lebt heute von der beruflichen und kulturellen Diversität ihrer Beschäftigten. Denn Vielfalt schafft umfassendes Waldwissen und sorgt für den Blick über den Tellerrand in der täglichen Zusammenarbeit.

Recherche und Text: Hilke Schröder

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