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Unscheinbar, aber unverzichtbar

Ein Regenwurm

Foto: FVA BW/Bluhm

Am 15. Februar ist Tag des Regenwurms

Im Alltag wird ihm meist keine große Beachtung geschenkt, dabei ist der Regenwurm für uns unverzichtbar. Welche Bedeutung er für den Wald hat, erklärt Dr. Christian Bluhm, Wissenschaftler an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) im Interview.

Kleine Lebewesen mit großer Bedeutung: Welche Rolle spielt der Regenwurm im Waldboden?

Regenwürmer spielen eine zentrale Rolle bei der Zersetzung abgestorbener Pflanzenreste. Sie fressen sich unermüdlich durch ihr Habitat und tragen nebenbei mit der Bildung ihrer Gangsysteme zur Verbesserung der Drainage- und Durchlüftungseigenschaften des Bodens bei. In regenwurmreichen Böden gibt es wohl keinen Krümel Erde, der nicht schon mehrfach durch einen Wurmdarm gewandert ist. Ihre Ausscheidungen sind angereichert mit den bei Pflanzen und Mikroorganismen besonders begehrten Nährstoffen Stickstoff und Phosphor. Aufgrund ihres großen Einflusses auf ihren Lebensraum werden sie daher auch als Ökosystemingenieure bezeichnet.

Welche Bedingungen braucht der Regenwurm in unseren heimischen Böden, um sich wohlzufühlen?

Die meisten Regenwürmer mögen Böden, die ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt und nicht zu sauer sind. Die Streu von Laubbäumen können sie besser verdauen und ziehen sie deshalb der von Nadelbäumen vor. Bezogen auf Waldböden, finden wir also besonders hohe Dichten in Auenwäldern, besonders wenige in bodensauren Fichtenwäldern. Es gibt allerdings unter den Regenwürmern auch Arten, die gut mit sauren Bodenbedingungen zurechtkommen oder diese sogar bevorzugen. Dabei handelt es sich in der Regel um streulebende Arten. Der mineralbodenbewohnende Badische Riesenregenwurm stellt hierbei eine Ausnahme dar: Er gräbt sich bis zu 2,5 Meter tief in die sauren Böden fichtendominierter Wälder des Südschwarzwaldes ein.

Ist in den vergangenen Jahren eine Entwicklung der Population nach oben oder unten zu beobachten?

Die meisten Arten wiesen laut einer bundesweiten Auswertung, die im Rahmen der Roten Liste 2016 durchgeführt wurde, einen gleichbleibenden oder mäßig rückläufigen Populationstrend auf. Allerdings konnte aufgrund lückenhafter Daten nur für weniger als zwei Drittel aller heimischen Arten eine Kurzzeit- und sogar für nur weniger als die Hälfte eine Langzeitentwicklung abgeleitet werden.

Langzeituntersuchungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), die an mittlerweile 21 in Baden-Württemberg verteilten Untersuchungsflächen stattfinden, deuten auf starke Populationseinbrüche der streulebenden Regenwurmarten infolge der Dürrejahre 2015 und 2018 hin (Hohe Temperaturen und Trockenheit hinterlassen ihre Spuren. Eine klimatische Einordnung des Jahres 2020 für Baden-Württemberg. LUBW 2021). Der Klimawandel könnte also für diese Arten langfristig negative Auswirkungen haben, falls sich die Dürrejahre häufen sollten und den Populationen zu wenig Zeit zur Regeneration bleibt.

Was ist das Ziel des Monitoring-Projektes an der FVA? Welche Ergebnisse gibt es bereits?

Wir erarbeiten konzeptionelle und methodische Grundlagen für ein zukünftig dauerhaftes Monitoring. Wiederholte flächendeckende Erfassungen der Bodenfauna sollen Daten zu Verbreitung, Vorkommen und zeitlichen Populationstrends liefern, die unter anderem auch für die Gefährdungseinschätzung genutzt werden könnten. Wir sind außerdem daran interessiert, den Einfluss menschlichen Handelns für die Bodenfauna zu quantifizieren. Hierfür wurden im Laufe des Projekts bereits Daten zum Einfluss von Bodenschutzkalkungen und eines Bewirtschaftungsverzichts auf die Bodenfauna ausgewertet: Die Regenwürmer reagierten mit einer Verdreifachung ihrer Anzahl und Artenvielfalt auf die Kalkung, während wir keinen Einfluss eines Bewirtschaftungsverzichts feststellen konnten.

Welches Bodenlebewesen – Wurm oder nicht Wurm – finden Sie besonders spannend?

Regenwürmer sind schon beeindruckende Tiere, mein Herz schlägt aber für andere, noch kleinere Tiere des Bodens, die Hornmilben. Unter dem Mikroskop offenbart sich die faszinierende Vielgestaltigkeit dieser sehr artenreichen Bodenbewohner, von denen man mit dem unbewaffneten Auge überhaupt keine Notiz nimmt, obwohl sie praktisch überall sind. Sie sind nicht nur unglaublich stark — laut einer Studie ist die Hornmilbenart Archegozetes longisetosus das stärkste Tier der Welt —, sondern verleihen einigen Pfeilgiftfroscharten auch ihre Giftigkeit. Und wusstet ihr, dass knapp ein Zehntel aller bekannten Arten von Hornmilben seit Millionen von Jahren ohne Männchen auskommen?

PDF-Download der Pressemitteilung

Dr. Christian Bluhm ist seit 2020 Teil der FVA. Er arbeitet in der Abteilung Boden und Umwelt und erforscht die Bodenfauna der heimischen Wälder. Sein Interesse an Wald und Bodenfauna wurde durch die Untersuchung der ecuadorianischen Regenwaldböden im Rahmen seiner Diplomarbeit geweckt.

 

 

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