Vorsorgendes Konzept für die Gelbbauchunke
Nachdem die Primärlebensräume der Gelbbauchunke (Bombina variegata) – temporäre Kleingewässer in natürlichen Überschwemmungsgebieten von Bächen und Flüssen – durch starken Landnutzungswandel und Veränderungen der Fließgewässerdynamik fast verschwunden sind, bleiben der Gelbbauchunke oft nur Sekundärlebensräume. Im Offenland sind dies u.a. Kiesgruben, Tongruben, Steinbrüche und Truppenübungsplätze.
Im Wald sind wichtige Sekundärlebensräume v.a. besonnte wassergefüllte Fahrspuren und Pfützen, welche aufgrund ihrer Vernetzungswirkung eine große Bedeutung für den Erhalt der Art haben. Die Waldwirtschaft ist daher gefordert, Konzepte für die Gelbbauchunke zu entwickeln, die ihren integrierten und mit der Waldbewirtschaftung verträglichen Schutz gewährleisten.
In den FFH-Gebieten ist ein Erhaltungsmanagement für die dort geschützten Arten zu implementieren mit dem Ziel, deren günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder wiederherzustellen. Für die fachliche Ausgestaltung und die Umsetzung des Erhaltungsmanagements für die Gelbbauchunke wird von der FVA eine Praxishilfe erstellt. Über die FFH-Gebiete hinaus erscheint ein vorsorgendes Konzept i. S. d. § 44 (4) BNatSchG im Rahmen der naturnahen Waldbewirtschaftung am besten geeignet, um den dauerhaften und flächendeckenden Erhalt der Gelbbauchunke zu gewährleisten.
Aufgrund ihres Vorkommensschwerpunktes in Süddeutschland trägt Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung für die nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie geschützte Gelbbauchunke, die landesweit – ausgenommen in den Hochlagen des Schwarzwaldes und einem Großteil der an Gewässern armen Schwäbischen Alb - vorkommt. Darüber hinaus wurde im FFH-Bericht 2019 für Baden-Württemberg ein ungünstig-unzureichender Erhaltungszustand der Art konstatiert. In der Roten Liste Baden-Württembergs ist sie als stark gefährdet eingestuft.
Gemäß Artenschutzrecht (§ 44 BNatSchG) dürfen die lokalen Populationen der Gelbbauchunke im Zuge der Waldbewirtschaftung nicht verschlechtert werden. Beispielsweise können das unbeabsichtigte Töten von Laich durch die Befahrung von wassergefüllten Fahrspuren oder das unvermeidbare Zerstören eines Laichgewässers in einer Rückegasse durch Sanierung Rechtsverstöße darstellen. Mit einem vorsorgenden Konzept können unvermeidbare oder unbeabsichtigte Zugriffe auf eine streng geschützte Art im Zuge der Waldbewirtschaftung bereits im Vorfeld ausgeglichen und somit Verschlechterungen der lokalen Populationen der Gelbbauchunke flächendeckend über die FFH-Gebiete hinaus vermieden werden.
Die Forstliche Versuchs und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) hat daher für ForstBW unter Beteiligung von Partnern im Bereich des Naturschutzes insbesondere mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (UM) und der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), Artexpertinnen und -experten sowie verschiedenen Interessensvertretungen ein Konzept zum Schutz und zur Förderung der Art im Staatswald entwickelt. Wesentlicher Inhalt des vorsorgenden Konzeptes für die Gelbbauchunke ist die regelmäßige Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl an geeigneten potenziellen Laichgewässern im Wald. Die Sollwerte für Fortpflanzungsgewässer wurden je Managementeinheit hergeleitet und können entweder durch das Belassen von wassergefüllten Fahrspuren innerhalb der Rückegassen oder durch die Neuanlage von Tümpeln außerhalb der Rückegassen erfüllt werden.
Im Jahr 2022 wurde in 9 Forstbezirken eine erfolgreiche Konzept- Pilotphase durchgeführt und seit Anfang 2023 wird das vorsorgende Konzept im gesamten Staatswald verpflichtend umgesetzt. Für andere Waldbesitzarten stellt das Konzept eine Hilfestellung im rechtlichen und praktischen Umgang mit der Gelbbauchunke dar.
Genetische Untersuchung
Im Rahmen des Pilot-Projektes „Wissenschaftliche Begleitung und Wirkungskontrolle des „Vorsorgenden Konzeptes für die Gelbbauchunke“ im Wald von Baden-Württemberg“ wurden 2023 und 2024 im Schönbuch sowie im Schwäbisch-Fränkischen Wald von der FVA Untersuchungen der dortigen Gelbbauchunken-Populationen durchgeführt. Schwerpunkt des durch Mittel der
CDU-Landtagsfraktion geförderten Projektes war die Sammlung von genetischen Proben (Mundschleimhaut-Abstrich), um Erkenntnisse zur genetischen Diversität, zur Strukturierung der Metapopulationen und dem genetischen Genfluss der jeweiligen Vorkommen zu gewinnen. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse sollte eingeschätzt werden, wie hoch die genetische Diversität in den Untersuchungsgebieten ist, ob Teilpopulationen vorhanden sind und ein genetischer Austausch zwischen diesen vorhanden sind oder einzelne Teilpopulationen isoliert sind.
Im Rahmen der Untersuchungen konnten im Schönbuch und im Schwäbisch-Fränkischen Wald mehr als 500 DNA-Proben der Gelbbauchunke gesammelt werden. Die Proben wurden im Labor der FVA analysiert und die Daten statistisch ausgewertet.

Gelbbauchunken-Gewässer in einer Rückegasse, Impressionen von der Beprobung.
Die Ergebnisse deuten auf stabile Gelbbauchunken-Metapopulationen im Schönbuch und im Schwäbisch-Fränkischen Wald mit einem moderaten Level an genetischer Vielfalt hin. Die Metapopulationen scheinen sich nicht in Inzucht-Situationen zu befinden und es scheint genetischer Austausch auf lokaler Ebene vorhanden zu sein. Statistische Tests fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen genetischer und geographischer Distanz. Allerdings war bei einer Analyse der Hauptkomponenten innerhalb des Datensatzes kein deutlicher genetischer Unterschied zwischen den beprobten Individuen im Schönbuch und im Schwäbisch-Fränkischen Wald zu erkennen. Die Metapopulationen dieser beiden Untersuchungsgebiete ließen sich auch nicht in genetisch strukturierte Teilpopulationen unterteilen. Weitere Untersuchungen mit mehr Mikrosatellitenmarkern sind notwendig.

Analyse der zwei am stärksten differenzierenden Hauptkomponenten (Axis 1 und Axis 2), eingefärbt nach Standort.
Weiterführende Informationen
- Artensteckbrief der LUBW
- Neben der Spur? Erhaltung der Gelbbauchunke im Rahmen der Waldbewirtschaftung
- Gelbbauchunken in Fahrspuren
- Praxismerkblatt vorsorgendes Konzept Gelbbauchunke
- Vorsorgendes Konzept für die Gelbbauchunke
- Bundesamt für Naturschutz: Gelbbauchunke
- DBU-Projekt Entwicklung nachhaltiger Schutzkonzepte für die Gelbbauchunke in Wirtschaftswäldern: Gelbbauchunkenschutz in Wäldern
- Koordinationsstelle für Amphibien- & Reptilienschutz in der Schweiz (karch): Gelbbauchunke
- Eine gute Bebilderung der unterschiedlichen Entwicklungsstadien findet sich unter https://www.froschnetz.ch/arten/gelbbauchunke.php