Insektenmonitoring im Wald

Die FVA hat im Rahmen des Sonderprogramms zur Stärkung der Biologischen Vielfalt ein Konzept für ein landesweites Insektenmonitoring im Wald entwickelt. Ziel des Monitorings ist es, repräsentativ für den Wald in Baden-Württemberg den Zustand und die zeitliche Entwicklung von Artenanzahl, Artenzusammensetzung und Biomasse waldtypischer Insektengemeinschaften zu erfassen. Darüber hinaus sollen durch eine entsprechende Auswahl der Stichprobenflächen bestimmte Umwelt- und Bewirtschaftungsgradienten abgebildet werden, um Hinweise auf die Treiber möglicher Veränderungen zu erhalten. Im Rahmen des Monitorings sollen verschiedene Artengruppen (Xylobionte Käfer, Laufkäfer, Nachtfalter, Tagfalter) mit entsprechenden Erfassungsmethoden untersucht werden. Dabei wurde darauf geachtet, eine gute Anschlussfähigkeit an bereits bestehende und geplante Monitoringprogramme innerhalb und außerhalb des Waldes zu gewährleisten.

In der aktuellen Projektphase wird das Monitoring auf einem Teil der ausgewählten Flächen pilotartig durchgeführt, um die Arbeitsabläufe und Erfassungsmethoden für den Echtbetrieb zu erproben. Das langfristige Ziel ist das Monitoring landesweit und dauerhaft durchzuführen.

Insekten stellen einen Großteil der Artenvielfalt in unseren heimischen Ökosystemen und übernehmen dort wichtige Funktionen in den Nahrungsketten und Stoffkreisläufen. Doch es gibt zunehmend Hinweise, dass in den letzten Jahrzehnten sowohl die Artenvielfalt als auch die Gesamtbiomasse der Insekten stark zurückgegangen sind und sich darüber hinaus ein gewisser Artenwandel vollzogen hat. Eine solide Datengrundlage, um das genaue Ausmaß dieser Veränderungen flächendeckend sowohl für Deutschland als auch auf Ebene einzelner Bundesländer zu beziffern und mögliche Ursachen zu ermitteln, fehlt allerdings. Standardisierte, flächendeckende und langfristig angelegte Monitoringprogramme können hierfür einen wichtigen Beitrag leisten und sind eine zentrale Forderung des Aktionsprogramms Insektenschutz der Bundesregierung.

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat ein Konzept für ein bundesweites Insektenmonitoring erarbeitet, das die Erfassung verschiedener Insektengruppen (z.B. Tagfalter, Laufkäfer und xylobionte Käfer) vorsieht und vor allem auf eine bundesweite Analyse von Trends getrennt nach Landnutzungsformen (z.B. Acker, Grünland und Wald) abzielt. Es bleibt den Bundesländern überlassen durch eine Erhöhung des Stichprobenumfangs Auswertungen auf Landesebene oder hinsichtlich spezifischerer Fragestellungen zu ermöglichen. So wird in Baden-Württemberg seit 2018 durch die LUBW ein Insektenmonitoring im Offenland durchgeführt. Der Umfang an beprobten Stichprobenflächen geht dabei weit über den empfohlenen Umfang des bundesweiten Programms hinaus, um Trends auch auf Landesebene statistisch abgesichert erfassen zu können.

Im Wald von Baden-Württemberg hingegen wird bislang kein Insektenmonitoring umgesetzt. Einzelne Studien weisen zwar auf einen Insektenrückgang auch im Wald hin, doch auf Basis der bestehenden Datengrundlage lässt sich nicht beurteilen, welche Rolle dabei dem Waldmanagement, Landnutzungsformen außerhalb des Waldes oder auch dem Klimawandel zukommt. Während vermutet wird, dass die Insektendichte im Wald auch durch Landnutzungsformen außerhalb des Waldes beeinflusst wird, haben vor allem die Waldbewirtschaftung und der Klimawandel massive Auswirkungen auf den Zustand des Waldes—und damit die Lebensraumqualität und -quantität verschiedener waldgebundener Insektenarten. So hat die moderne Forstwirtschaft durch die Bevorzugung ungleichaltriger Mischbestände zu immer älteren, dichteren und wenig heterogenen Wäldern geführt, mit teilweise negativen Folgen für die Biodiversität. Gleichzeitig werden als Folge des Klimawandels mehr Öffnungen im Kronendach durch zum Teil großflächige Störungen beobachtet und die Anbauwürdigkeit vieler Baumarten wird in Hinblick auf die vermehrt auftretenden Trockensommer und Schädlinge hinterfragt. Das Insektenmonitoring im Wald kann helfen die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Insekten im Wald besser zu verstehen und damit zu einem biodiversitätskonformen adaptiven Waldmanagement beitragen.

Ziel des entwickelten Insektenmonitoring ist, statistisch belastbare und für den Wald in Baden-Württemberg repräsentative Aussagen über den Zustand und die langfristige Entwicklung der Artenanzahl, Artenzusammensetzung und Biomasse waldtypischer Insektengemeinschaften zu ermöglichen. Darüber hinaus soll das Monitoring die Treiber der beobachteten räumlichen Muster und zeitlichen Trends aufdecken und damit wichtige Hinweise liefern, welche Einflüsse die Waldbewirtschaftung, der Klimawandel, oder auch andere Landnutzungsformen außerhalb des Waldes auf die Insektengemeinschaften im Wald haben. Dabei wurde darauf geachtet, eine gute Anschlussfähigkeit an bereits bestehende und geplante Monitoringprogramme innerhalb und außerhalb des Waldes zu gewährleisten.

Das Insektenmonitoring im Wald von Baden-Württemberg soll aus verschiedenen Bausteinen und Modulen aufgebaut sein und dadurch eine Anschlussfähigkeit sowohl an das bundesweite Insektenmonitoring als auch das Offenland-Monitoring der LUBW gewährleisten.

Die Bausteine des Monitorings ergeben sich aus verschiedenen Zielartengruppen in Kombination mit der jeweiligen Erfassungsmethode. Ein flächendeckendes Monitoring erlaubt es nicht, sämtliche im Wald vorkommenden Insektenarten zu untersuchen. Daher fokussiert sich das Monitoring auf einige gezielt ausgewählte Artengruppen, die verschiedene räumliche Skalen, Teillebensräume des Waldes und Lebensweisen repräsentieren und sich mit moderatem Aufwand und standardisierten Erfassungsmethoden erfassen lassen. Auf mehreren im Land verteilten 50 m × 50 m großen Probeflächen sollen xylobionte Käfer und andere flugfähige Insekten mit Kreuzfensterfallen, Laufkäfer und andere bodenlebende Arthropoden mit Bodenfallen und Nachfalter mit automatisierten Lichtfallen erfasst werden. Zusätzlich sollen Tagfalter und Widderchen auf 1,5 km langen Transekten entlang der Waldwege und Waldränder erfasst werden.

Neben Insekten werden auch Daten zu den klimatischen Bedingungen, der Vegetationsstruktur und der Verfügbarkeit von Totholzelementen und Mikrohabitaten aufgenommen, um die Treiber für Abundanz und Vorkommen der Insekten ausfindig zu machen. Mit Hilfe von Geodaten und fernerkundungsbasierten Ansätzen (u. a. den im Rahmen des Sonderprogramms entwickelten Mobi-Tools) können zusätzliche Einflussfaktoren auf Bestandes- und Landschaftsebene abgeleitet und getestet werden.

Die Aufteilung des Monitorings in Module erlaubt es, spezifische Fragestellungen auf einem jeweils dafür geeigneten Set an Stichprobenflächen zu untersuchen. Somit können einerseits basierend auf einem flächenrepräsentativen Stichprobennetz Aussagen für den gesamten Wald in Baden-Württemberg abgeleitet werden und andererseits gezielt bestimmte Umwelt- und Bewirtschaftungsgradienten (z.B. Höhenlage, Baumartenzusammensetzung, Bewirtschaftungsintensität usw.) untersucht bzw. verschiedene forstlich oder naturschutzfachlich relevante Kategorien (z.B. Eichenwälder, Buchenwälder, Bannwälder) miteinander verglichen werden. Die statistische Auswertung vorhandener Daten hat ergeben, dass für Vergleiche zwischen und separate Auswertungen für solche Kategorien mindestens 30 bis 40 Stichprobenflächen pro Kategorie erforderlich sind, um vorhandene Unterschiede und Trends tatsächlich feststellen zu können. Um eine Trendanalyse zu ermöglichen, sollen die Stichprobenflächen dauerhaft angelegt und wiederholt im Verlauf einiger Jahre beprobt werden. Verlässliche Aussagen zu Trends sind frühestens nach 10-15 Jahren zu erwarten. Erste Kausalitätsanalysen zu räumlichen Mustern und Auswirkungen von Umweltbedingungen sind hingegen bereits nach ca. 5 Jahren möglich.

  • Im Modul 1: Grundprogramm sollen großräumige Veränderungen im Zeitverlauf erfasst werden, um möglichst repräsentative Aussagen für den gesamten Wald in Baden-Württemberg treffen zu können. Dafür wird eine geschichtete Stichprobe verwendet, die den Wald in den bedeutendsten (großflächig vorkommenden) Naturräumen Baden-Württembergs flächenproportional repräsentiert. Dieses Modul erlaubt es, räumliche Muster und zeitliche Trends von Arten(gemeinschaften) zu erfassen und über Korrelationen mit Umweltvariablen erste Hinweise zu den Haupteinflussfaktoren abzuleiten. Im Laufe des Monitorings kann somit das Wissen über die Insektenbiodiversität im Wald von Baden-Württemberg vertieft und deren Zustand im Zeitverlauf bewertet werden. Der Stichprobenumfang des Grundprogramms wird aber nicht ausreichen, um spezifische Aussagen für bestimmte Waldtypen (z.B. Eichenwälder oder Bannwälder) treffen zu können. Aus diesem Grund sind mehrere Erweiterungsmodule vorgesehen, um bestimmte Waldtypen und Umweltbedingungen zu berücksichtigen, die durch das Grundprogramm nicht oder nur unzureichend abdeckt werden.
  • Das Modul 2: Baumarten ermöglicht es den Einfluss der drei Hauptbaumarten Fichte, Buche und Eiche auf Zustand und Trends der Insektenfauna statistisch gesichert zu untersuchen. Für dieses Modul werden geeignete Stichprobenflächen aus dem Grundprogramm verwendet und durch weitere Flächen mit den jeweiligen Baumarten ergänzt.
  • Das Modul 3: Prozessschutz ermöglicht es den Zustand und die zeitliche Entwicklung der Insektenfauna in nutzungsfreien Wäldern zu ermitteln und mit normal bewirtschafteten Wäldern zu vergleichen. Hierfür werden zusätzliche Stichprobenflächen in Bannwäldern mit möglichst langem Nutzungsverzicht angelegt, die mit geeigneten Flächen aus dem Grundprogramm und einigen zusätzlich angelegten Referenzflächen verglichen werden können.
  • Das Modul 4: Erweiterte Gradienten soll dazu dienen Lebensräume oder die Randbereiche bestimmter Umwelt- und Bewirtschaftungsgradienten, die durch das Grundprogramm schlecht repräsentiert werden, vollständiger abzudecken und dadurch den Einfluss dieser Gradienten besser untersuchen zu können. Im Laufe des Monitorings werden sich aufgrund der gefundenen Zusammenhänge und Muster immer wieder neue Fragestellungen ergeben, die mit den Ergebnissen des Monitorings nicht beantwortet werden können.
  • Das Modul 5: Flexible Forschungsfragen kann daher dazu dienen Hinweise auf Kausalitäten in zeitlich begrenzten Begleitstudien zu überprüfen.

Mindestens auf den Flächen des Grundprogramms soll das Insektenmonitoring zukünftig zusammen mit dem Bodenfaunamonitoring und dem Fledermausmonitoring durchgeführt werden, um zu einem umfassenden Biodiversitätsmonitoring im Wald von Baden-Württemberg beizutragen und Zusammenhänge zwischen den Tiergruppen untersuchen zu können.

In der aktuellen Projektphase wurde das Insektenmonitoring auf einem Teil der ausgewählten Flächen pilotartig durchgeführt, um die Arbeitsabläufe und Erfassungsmethoden für den Echtbetrieb zu erproben. Auf zwölf landesweit verteilten Transekten entlang von Waldwegen und Waldrändern erfolgte eine Erfassung von Tagfaltern und Widderchen, während auf neun Flächen Kreuzfensterfallen für die Erfassung von xylobionten Käfern und anderen Fluginsekten sowie Bodenfallen für die Erfassung von Laufkäfern und weiteren bodenlebenden Arthropoden aufgestellt wurden. Alle Insektenerfassungen wurden von Aufnahmen verschiedener Umweltdaten (z.B. Vegetationsstruktur und Totholzangebot) begleitet. Die Bearbeitung der gewonnenen Proben dauert noch an und bisher liegen nur die Daten der Tagfaltererfassung vor.

Auf den zwölf Transekten, die jeweils an fünf Terminen begangen wurden, konnten insgesamt 3.392 Tagfalter aus 49 Arten erfasst werden. Die drei häufigsten Arten waren das Große Ochsenauge Maniola jurtina (LINNAEUS, 1758), eine typische Art des Offenlands, der Kaisermantel Argynnis paphia (LINNAEUS, 1758), der oft in lichten Wäldern oder auf Waldlichtungen anzutreffen ist, und der Grünader-Weißling Pieris napi (LINNAEUS, 1758), der in relativ vielen oft auch schattigeren Lebensräumen vorkommt. Mit jeweils 649, 521 bzw. 476 Beobachtungen machen diese drei Arten 52,7 % der bis zur Art bestimmten Individuen aus. Sechs der erfassten Arten gelten nach der Roten Liste Baden-Württemberg als gefährdet und 15 weitere stehen auf der Vorwarnliste. Mit dem Weißen Waldportier Brintesia circe (FABRICIUS, 1775) und dem Zweibrütigen Würfel-Dickkopffalter Pyrgus armoricanus (OBERTHÜR, 1910) wurden sogar zwei Arten erfasst, die in der Roten Liste Baden-Württemberg als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft sind.

Unter den 49 hier erfassten Arten sind 15 Arten (36,2 % der bis zur Art bestimmten Individuen), die an Wald bzw. lichte Waldstrukturen gebunden sind, 30 Arten (44,4 % der bis zur Art bestimmten Individuen), die typischerweise das Offenland bevorzugen, und 4 Arten (19,4 % der bis zur Art bestimmten Individuen), die sowohl im Wald als auch im Offenland vorkommen. Der hohe Anteil an Arten des Offenlands resultiert zum Teil daraus, dass die Transekte nicht nur durch den Wald (74,8 % Streckenanteil), sondern auch entlang der Waldränder (22,4 %) und über kurze Passagen durch das angrenzende Offenland (2,8 %) verliefen. Doch auch entlang der Waldwege wurden zwei Drittel der Offenlandarten beobachtet, wobei dort ihr Anteil an der Gesamtindividuenzahl mit 33 % deutlich geringer war als am Waldrand (63 %) oder im Offenland (92 %). Der Anteil der waldgebundenen Arten an der Gesamtindividuenzahl war mit 42 % im Wald am höchsten, lag bei 28 % am Waldrand und 8 % im angrenzenden Offenland. Der Zusammenhang zwischen der Waldbindung und dem Vorkommen der erfassten Arten soll in zukünftigen Auswertungen der Daten genauer untersucht werden.

Im kommenden Jahr soll die Erprobung der für das Monitoring vorgesehenen Erfassungsmethoden auf ausgewählten Flächen fortgeführt werden. Beispielsweise ist geplant Nachtfalter mit automatisierten Lichtfallen zu erfassen. Gleichzeitig soll die landesweite und dauerhafte Umsetzung des Monitorings weiter vorbereitet werden. Denn nur durch die regelmäßige Beprobung vieler Stichprobenflächen können der aktuelle Zustand der Insektengemeinschaften im Wald zuverlässig beschrieben und davon ausgehend zeitliche Trends und wichtige Einflussfaktoren ermittelt werden.

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