Aktionsplan Auerhuhn
Der Aktionsplan Auerhuhn (APA) stellt ein umfassendes Artenschutzkonzept zum Erhalt des Auerhuhns (Tetrao urogallus) im Schwarzwald dar.
Das Auerhuhn ist eine scheue Art strukturreicher, lichter Bergwälder und im heutigen Schwarzwald nur noch sehr selten anzutreffen. Eine veränderte Nutzung des Waldes durch Forstwirtschaft, Infrastruktur und Freizeitnutzung, aber auch eine Zunahme von natürlichen Fressfeinden der Auerhühner (z.B. Fuchs) haben in den letzten Jahrzehnten zu einer massiven Abnahme der Population geführt. Mit nur noch zwischen 200-300 Individuen steht der international geschützte Vogel im Schwarzwald kurz vor dem Aussterben. Im Jahr 2008 wurde der APA vom Land Baden-Württemberg verabschiedet, um diesem Trend zu begegnen.
Der Aktionsplan besteht aus verschiedenen Komponenten: Zentral steht das von uns erstellte wissenschaftliche Fachkonzept „Rahmenbedingungen und Handlungsfelder für den Aktionsplan Auerhuhn“ mit dem dazugehörigen Maßnahmenplan und Flächenkonzept (s. unten). Der 2008 veröffentlichte Maßnahmenplan 2008-2018 und das dazugehörige Flächenkonzept wurden nach einer Zwischenevaluation, die erhebliche Mängel in der Umsetzung offenlegte, überarbeitet. In einem politischen Abwägungsprozess, bei dem die Forst- und Naturschutzverwaltung führend waren, wurde der neue Maßnahmenplan 2023-2028 inklusive neuem Flächenkonzept erstellt und im Oktober 2023 vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) veröffentlicht.
Maßnahmenplan 2023-2028
(L) Erhalt und Wiederherstellung des Lebensraums
Insbesondere durch Auflichtungen von Waldbeständen und Schulung der Bewirtschaftenden sollen Lebensräume für Auerhühner erhalten und neu geschaffen werden. Hierfür wurden von unserem Arbeitsbereich Fördermöglichkeiten für die Umsetzung im Privat- und Kommunalwald entwickelt und erprobt (Projekt „Lücken für Auerhuhnküken“). Bei der Beratung zur Umsetzung von Maßnahmen und der Beantragung von Fördergeldern nimmt der Verein Auerhuhn im Schwarzwald e.V. eine zentrale Rolle ein. Des Weiteren haben wir in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsbereich Biometrie und Informatik das sogenannte Auerhuhn-Tool entwickelt, welches mittels Luftbildauswertung Auerhuhn-relevante Strukturen erfasst, womit die Umsetzung der Maßnahmen zur Habitatverbesserung evaluiert werden kann.
(S) Verminderung anthropogener Störung
Auerhühner reagieren sehr empfindlich auf Störungen. Besonders in der sensiblen Balz-, Brut- und Aufzuchtzeit (März bis Mitte Juli) kann eine Störung zu einem geringeren Reproduktionserfolg oder sogar zu einem Reproduktionsausfall führen. Eine Reduzierung von Störungen durch Infrastrukturprojekte, Freizeitaktivitäten, Forstarbeiten und Jagd innerhalb der Vorrangflächen soll geeignete Lebensräume für Auerhühner langfristig attraktiv erhalten. Als Hilfestellung für die Praxis stehen Handlungsempfehlungen für die Forstwirtschaft und Jagd zu Verfügung sowie die Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn. Ein Leitfaden für Behörden zur Prüfung des Störpotentials von temporären Freizeitveranstaltungen auf Auerhühner ist in Arbeit.
Neue Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn (pdf) auf dem Wildtierportal
Projektabschlussbericht: Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Auerhühner (pdf, 4MB)
Maßnahmen zur Verminderung anthropogener Störungen im Maßnahmenplan 2023 - 2028 (pdf)
Wie werden Wildtiere durch unsere Freizeitaktivitäten beeinflusst? (pdf)
(J) Verminderung prädatorenbedingter Mortalität durch jagdliches Management
Ein weiterer Faktor, der die Auerhuhnpopulation im Schwarzwald negativ beeinflusst, sind Verluste durch Beutegreifer, wie beispielsweise Fuchs, Marderartige oder Habicht. Diese Fressfeinde haben besonders in der Brut- und Aufzuchtzeit einen großen Einfluss, da in dieser Zeit die Hennen und ihre Küken schutzlos am Boden leben. Um hier Individuenverluste zu reduzieren, dadurch den Reproduktionserfolg zu erhöhen und somit die akut bedrohte Auerhuhnpopulation im Schwarzwald zu unterstützen, sollen in den Kernlebensräumen des Auerhuhns insbesondere Füchse gezielt und koordiniert bejagt werden. Diese Aufgabe obliegt den Auerwild-Hegeringen und wird vom Verein Auerhuhn im Schwarzwald e.V. koordiniert. Die wissenschaftliche Begleitung des Prädatorenmanagements, die vom FVA-Wildtierinstitut geleistet werden soll, ist besonders wichtig, um die Wirksamkeit der Maßnahme engmaschig zu dokumentieren und zu beurteilen.
(K) Die Koordination und das Monitoring der Umsetzung
sollen den Erfolg der Maßnahmen sicherstellen. Unser Arbeitsbereich hat dabei die Aufgabe, alle verfügbaren Daten über die Umsetzung der oben genannten Maßnahmen zum Schutz der Auerhuhnpopulation zusammenzutragen und aufzuarbeiten. Auf dieser Grundlage können dann Erfolge gemessen, Maßnahmen evaluiert und bei Bedarf nachjustiert werden.
Weiterführende Informationen
Hintergrund
Historische Quellen belegen, dass Auerhühner schon um 1500 im Schwarzwald vorkamen. Nachdem sie Anfang des 18. Jahrhunderts noch bejagt wurden, ist die Auerwild-Jagd wegen der abnehmenden Populationsgröße seit 1971 nicht mehr gestattet. Die jagdliche Schonung alleine konnte, auch unter Berücksichtigung periodischer Schwankungen, den Populationsrückgang jedoch nicht mehr aufhalten.
Zum Schutz des Auerhuhns und dem Erhalt der Lebensraumfunktionen für die hochmontane Artengemeinschaft im Schwarzwald wurden zahlreiche Forschungs- und Umsetzungsprojekte durchgeführt. Die Koordination der Aktivitäten erfolgte zu Beginn durch die vom Ministerium eingesetzte Arbeitsgruppe Raufußhühner (AGR). Ende 2006 beauftragte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) die FVA, auf Grundlage dieser Arbeiten und dem damaligen Forschungsstand, den „Aktionsplan Auerhuhn“ auszuarbeiten. 2008 wurden der Aktionsplan Auerhuhn, abgestimmt mit der AGR, veröffentlicht und die Umsetzung vom MLR verabschiedet. Eine Zwischenevaluation 2019 (pdf) ergab, dass die Ziele nicht oder nur teilweise erreicht wurden. Im Detail wurde festgestellt, dass die formulierten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele weiterhin Gültigkeit haben, die Implementierung der Maßnahmen und Handlungsfelder in relevante Abläufe jedoch nicht oder unzureichend stattgefunden hat. Vor diesem Hintergrund und der Handlungsdringlichkeit aufgrund einer kontinuierlich abnehmenden Population wurde der Fokus auf die wichtigsten Maßnahmen gelegt und Zuständigkeiten klar formuliert. Das Ergebnis ist der vom MLR erarbeitete Maßnahmenplan 2023-2028.
Verein Auerhuhn im Schwarzwald e.V.
Im Jahr 2019 wurde der Verein Auerhuhn im Schwarzwald (AiS) gegründet. Er ist die Anlaufstelle für Waldbesitzende, Forstleute, Jagdausübende, Naturschützende und alle, die sich gerne in den Auerhuhn-Wäldern des Schwarzwalds aufhalten. Aufbauend auf den bereits erstellten Konzepten und Vorarbeiten arbeitet der Verein nach § 64 Abs. 2 JWMG in enger Zusammenarbeit mit der FVA als Vermittler für die Belange des Auerhuhns im Schwarzwald. Er berät hinsichtlich Habitatpflege, Förderung und Prädatorenmanagement, erstellt Ausgleichskonzepte, bietet Schulungen an und gibt dem Auerhuhn in der Öffentlichkeit eine Stimme. Sein Ziel ist es, das Auerhuhn im Schwarzwald zu erhalten und die Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsplans Auerhuhn im Privat- und Kommunalwald zu koordinieren.
Mehr Informationen finden sie auf der Webseite: https://auerhuhn-schwarzwald.de/
oder Sie nehmen Kontakt auf mit Jakob Huber.
Links
- Habitatverbesserung für Auerhühner
- Aktionsplan Auerhuhn auf dem Wildtierportal
- Zwischenbericht zum Aktionsplan Auerhuhn auf waldwissen.net
- Arbeitsgruppe Raufußhühner auf waldwissen.net
- Verein Auerhuhn im Schwarzwald e.V.
- Fräulein Brehms Tierleben: Tetrao urogallus – Das Auerhuhn (YouTube)
- Fristlose Kündigung für's Auerhuhn auf waldwissen.net
Dokumente
- Das Auerhuhn auf dem Wildtierportal
- Zwischenevaluation 2019 (pdf)
- Maßnahmenplan 2008-2018 (pdf)
- Aktionsplan Auerhuhn - Rahmenbedingungen und Handlungsfelder (pdf)
- Aktionsblatt Habitatgestaltung (pdf)
Literatur
- KÄMMERLE, J.-L.; BRAUNISCH, V.; SUCHANT, R.; COPPES, J.(2020): Quantifying the effectiveness of habitat management to counter local extinction: A case-study on capercaillie. Forest Ecology and Management 474:1-9 https://doi.org/10.1016/j.foreco.2020.118379
- KÄMMERLE, J.-L.; COPPES, J.; SUCHANT, R.; STORCH, I. (2020): From research to practice: Effectiveness of restricted-area fox culls for capercaillie conservation. Natur und Landschaft 12/2020: 525-531 https://doi.org/10.17433/12.2020.50153857.525-531
- COPPES, J.; BRAUNISCH, V.; BOLLMANN, K.; STORCH, I.; MOLLET, P.; GRÜNSCHACHNER-BERGER, V.; TAUBMANN, J.; SUCHANT, R.; NOPP-MAYR, U. (2020): The impact of wind energy facilities on grouse: a systematic review. J Ornithol161: 1–15. https://doi.org/10.1007/s10336-019-01696-1
- COPPES, J.; EHRLACHER, J.; MÜLLER, G.; ROTH, K.; SCHROTH, K.-E.; FÖRSCHLER, M.; BRAUNISCH, V.; SUCHANT, R. (2019): Dramatic decline of the Capercaillie Tetrao urogallus population in the Black Forest.Vogelwarte 57: 115-122.
- COPPES, J.; EHRLACHER, J.; THIEL, D.; SUCHANT, R.; BRAUNISCH, V. (2017): Outdoor recreation causes effective habitat reduction in capercaillie Tetrao urogallus: a major threat for geographically restricted populations. J Avian Biol, 48: 1583-1594. https://doi.org/10.1111/jav.01239
- KÄMMERLE, J.-L.; COPPES, J.; CIUTI, S.; SUCHANT, R.; STORCH, I. (2017): Range loss of a threatened grouse species is related to the relative abundance of a mesopredator. Ecosphere 8(9):e01934. https://doi.org/10.1002/ecs2.1934
- COPPES, J.; EHRLACHER, J.; MÜLLER, G.; ROTH, K.; SCHROTH, K.-E.; BRAUNISCH, V.; SUCHANT, R. (2016): Decline in Capercaillie Tetrao urogallus numbers and distribution area in the Black Forest.Ornithol. Beob. 113: 235–248.
- BRAUNISCH, V.; SUCHANT, R. (2013): The Capercaillie Tetrao urogallus Action Plan in the Black Forest: An integrative concept for the conservation of a viable population.Vogelwelt 134: 29 – 41.
- COPPES, J.; BRAUNISCH, V. (2013): Managing visitors in nature areas: where do they leave the trails? A spatial model. Wildlife Biology, 19: 1-11. https://doi.org/10.2981/12-054
- BRAUNISCH, V.; HOME, R.; PELLET, J.; ARLETTAZ, R. (2012): Conservation science relevant to action: A research agenda identified and prioritized by practitioners. Biological Conservation 153:201-210 https://doi.org/10.1016/j.biocon.2012.05.007
- BRAUNISCH, V.; SUCHANT, R. (2007): A Model for Evaluating the ‘Habitat Potential’ of a Landscape for Capercaillie Tetrao urogallus: A Tool for Conservation Planning. Wildlife Biology 13(sp1): 21-33. https://doi.org/10.2981/0909-6396(2007)13[21:AMFETH]2.0.CO;2