Rissverdacht oder Hinweise zu Luchs & Wolf
Sie haben einen Riss mit Verdacht auf Luchs oder Wolf bzw. Sichtungen, Fährten oder Losungen die auf Luchs oder Wolf hindeuten könnten?
Herdenschutz
Unter den Begriff Herdenschutz fällt ein Bündel verschiedenster Methoden, die alle zum Ziel haben, Nutztiere vor dem Beutegreifer Wolf zu schützen. Darunter fallen über Jahrhunderte bewährte, traditionelle Methoden wie die Behirtung oder der Einsatz von Herdenschutzhunden. In den letzten Jahrzehnten entwickelten sich die Elektrozäune als wichtigster Baustein des modernen Herdenschutzes.
Herdenschutzmaßnahmen können dabei, abhängig vom Gelände, dem Weidemanagement, der Nutztierart und dem verwendeten Zaunmaterial auf vielfältige Weise umgesetzt werden. Nicht zuletzt spielen Aspekte des Verhaltens und der Ökologie von Nutz- und Wildtieren eine wichtige Rolle in der Anwendung.
Grundschutz und empfohlener Schutz
Um die Weidetiere vor Übergriffen zu schützen, sind präventive Herdenschutzmaßnahmen essenziell. Während der Grundschutz bei Zäunen häufig direkt mit dem vorhandenen Material umsetzbar ist, sollte langfristig der empfohlene Schutz erreicht werden.
Grundschutz
Um Weidetiere vor Übergriffen zu schützen, ist die Umsetzung eines wolfsabweisenden Grundschutzes die erste und wichtigste Maßnahme. Entsprechend installierte Zäune und Stallungen bieten den Nutztieren ein Mindestmaß an Schutz. Ein solcher kann auch durch Herdenschutzhunde oder Behirtung gewährleistet sein.
Da Schafe, Ziegen und Schalenwild aus landwirtschaftlicher Gehegehaltung aus Herdenschutzsicht besonders gefährdete Nutztierarten sind, ist ein fachgerechter Grundschutz bei der Haltung dieser Tiere innerhalb von Wolfsterritorien absolut notwendig. In den ausgewiesenen Fördergebieten Wolfsprävention ist die Umsetzung der Grundschutzvorgaben des Umweltministeriums für die genannten Tierarten zudem Voraussetzung, um einen finanziellen Ausgleich für nachweislich durch den Wolf gerissene Nutztiere beantragen zu können.
Für Rinder und Pferde steht insbesondere der Schutz der Kälber und Fohlen in den ersten Lebenswochen als wichtigste Maßnahme im Fokus. Die Errichtung des wolfsabweisenden Grundschutzes als Voraussetzung einer Ausgleichszahlung, wie bei Schafen, Ziegen und Gatterwild, wird für diese Tierarten jedoch nicht gefordert.
Empfohlener Schutz
Über die Grundschutzmaßnahmen hinaus bietet der empfohlene Schutz gerade bei langfristiger Wolfspräsenz einen verbesserten Schutz. Er sollte insbesondere bei fest installierten Zäunen angestrebt werden und unterscheidet sich vom Grundschutz in erster Linie durch die Zaunhöhe.
Detaillierte Informationen zu der Ausführung des empfohlenen Schutzes sind in unseren Foldern und Filmen sowie im Faltblatt Zauntypen zu finden.
Bei betriebsspezifischen Fragen zur Aufrüstung bestehender Zäune, dem optimalen Verlauf der Zauntrasse, Umgang mit Bächen und Einsprungmöglichkeiten ist es sinnvoll, weitere Informationen einzuholen. Zögern Sie nicht, sich an den Fachbereich Herdenschutz zu wenden, um weiteres Informationsmaterial zu erhalten oder einen Beratungstermin zu vereinbaren.
Herdenschutz mit Weidezäunen
Ein Stromschlag ist eine schmerzhafte Erfahrung und erzielt dadurch den Lerneffekt, den Zaun zu meiden. Daher sind elektrifizierte Zäune eine sehr gute psychologische Barriere. Hierfür sind ein leistungsstarkes Weidezaungerät mit angepasster Erdung sowie das regelmäßige Freimähen wichtig.
Eine Übersicht zu den verschiedenen Möglichkeiten, Herdenschutz mit Zäunen bei verschiedenen Nutztierarten umzusetzen, bieten die folgenden Videos und Informationsfolder:
Herdenschutz mit Herdenschutztieren
Als Schutz vor dem Wolf und anderen Gefahren kommen neben technischen Maßnahmen auch in Deutschland immer häufiger Herdenschutztiere zum Einsatz. Hierzu zählen zum Beispiel Herdenschutzhunde.
Herdenschutzhunde
Der Einsatz der Herdenschutzhunde zielt auf den Schutz vor Gefahren durch große Beutegreifer, Greif- und Rabenvögel aber auch Diebstahl ab. Dies erfordert von den Hunden bestimmte Eigenschaften z.B. Selbstständigkeit, Zuverlässigkeit und Selbstbewusstsein sowie ein gutes Einschätzungsvermögen zwischen Gefahren- und Alltagssituationen. Unter der Berücksichtigung der Weidetieranzahl, den Geländegegebenheiten und Betriebsumständen (z.B. Tourismusintensität, Nähe zur Nachbarschaft etc.) wird entschieden, ob der Einsatz sinnvoll ist und welche Hunderasse geeignet wäre.
Nutztierhaltende sollten für die Anschaffung von Herdenschutzhunden ein hohes Maß an Bereitschaft mitbringen, Zeit und Geduld in die Sozialisation und Haltung der Tiere zu investieren. Es sollten nur Hunde eingesetzt werden, die auch mit dem Menschen sozialisiert sind. Bis zur vollumfänglichen Einsatzbereitschaft kann es bis zu zwei Jahre dauern. Ein vorausschauendes Konfliktmanagement und begleitende Aufklärungsarbeit im Einsatzgebiet und mit Zielgruppen wie Tourist*Innen und Hundebesitzer*Innen kann dabei Problemen vorbeugen.
Herdenschutzhunde sind eine Variante, um den empfohlenen Schutz umzusetzen. Die Unterhaltskosten für zertifizierte Herdenschutzhunde können vom Land Baden-Württemberg unter bestimmten Voraussetzungen mit einer jährlichen Pauschale gefördert werden.
Vor der Anschaffung von Herdenschutzhunden (HSH) wird empfohlen, die Herdenschutzberatung der FVA in Anspruch zu nehmen und Kontakt zu den Herdenschutzhundeverbänden in Deutschland oder HSH-erfahrenen Betrieben aufzunehmen.
Lamas
Lamas können für versierte Betriebe eine Herdenschutzoption für Regionen mit geringem Beutegreiferdruck darstellen (keine Paar- oder Rudelbildung). Der Einsatz dieser Tiere wurde im F+E Vorhaben „Alternative Herdenschutzmaßnahmen“ vertieft beleuchtet.
Ihre grundsätzliche Abneigung gegenüber Hundeartigen zeigen die Tiere unter anderem durch lautstarke Warnungen, Angriff oder Spucken. Erfahrungsberichte bestätigen, dass der Einsatz von Lamas in bestimmten Fällen wirksam schützen kann. Der Einsatz von Alpakas wird aufgrund ihrer geringeren Körpergröße zum Einsatz als Herdenschutztier nicht empfohlen.
Ausschlaggebend für den Erfolg dieser Maßnahme sind jedoch die individuellen Veranlagungen und Anzahl der Schutztiere sowie das Maß an Integration und Größe der zu schützenden Herde und die Übersichtlichkeit des Weidegebietes. Bei erhöhtem Prädatorendruck oder Rudelbildung in der Region, wird der Einsatz von Lamas als alleiniger Herdenschutz nicht empfohlen.
Generell sollten Nutztierhaltende für die Anschaffung von Lamas ein hohes Maß an Bereitschaft mitbringen, Zeit und Geduld in die korrekte Haltung und Sozialisation der Tiere zu investieren. Die Haltung von Lamas muss entsprechend den tierschutzrechtlichen Vorgaben und unter Nachweis der erforderlichen Sachkunde zur Haltung der Tiere stattfinden und ist daher nur für versierte Tierhaltende zu empfehlen.
Vor Einsatz und als Voraussetzung einer potentiellen Förderung von HS-Tieren ist eine Beratung durch die FVA obligatorisch, in der unter Anderem weiterreichende Informationen und Ansprechpartner:innen zu den Voraussetzungen zur Haltung der Tiere gegeben werden. Lamas können ausschließlich im Rahmen des zumutbaren Schutzes für rinderhaltende Betriebe in Regionen mit geringem Beutegreiferdruck gefördert werden.
Weiterführende Informationen zur Maßnahme sowie zum zumutbaren Schutz von Rindern und Fördervoraussetzungen finden Sie auf den entsprechenden Homepages.
Herdenschutzberatung
Die FVA begleitet die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen in Baden-Württemberg durch fachliche Beratung von Nutztierhaltenden, Behörden und Verbänden. Damit bringt sie das gebündelte Wissen aus Praxis und Forschung auf die Fläche.
Sie unterstützt insbesondere bei der Entwicklung von Lösungen für Weiden, bei denen die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen herausfordernd ist, z. B. aufgrund der topografischen Bedingungen oder des Weidemanagements. Das Angebot dient als Unterstützung bei der Umsetzung der Schutzmaßnahmen und kann eine Erstberatung durch die Untere Naturschutzbehörde der Landkreise ergänzen.
Herdenschutzberatung für Tierhaltende
Die FVA berät Tierhaltende, wie sie den Grundschutz und den empfohlenen Schutz auf ihren Flächen umsetzen können. Dabei werden betriebsspezifische Faktoren wie das bereits verwendete Material, das Weidemanagement, Geländeeigenschaften etc. berücksichtigt. Die Beratung ist für die Tierhaltenden kostenfrei.
In der Regel findet zunächst eine telefonische Beratung statt. Bei Bedarf schließt sich eine Vor-Ort-Beratung an. Hierbei werden weitere Akteure, wie die Untere Naturschutzbehörde, mit einbezogen. Das Beratungsergebnis wird in einem ausführlichen Beratungsprotokoll festgehalten und i.d.R. mit weiterem Informationsmaterial zur Verfügung gestellt.
Informationen für Behörden und Verbände
Bei der flächendeckenden Etablierung von Herdenschutzmaßnahmen in den ausgewiesenen Fördergebieten sind zahlreiche Akteure und Akteurinnen involviert, darunter Behörden und Verbände. Die FVA stärkt durch Treffen und Informationsaustausch das Netzwerk der Beteiligten und stellt über Informationsmaterialien, Vorträge und Kurse Wissen zur Verfügung. Das Herdenschutzteam der FVA kann für fachliche Fragen zum Herdenschutz zudem jederzeit hinzugezogen werden.
Kontakt Herdenschutz
Bei Interesse an einer Herdenschutzberatung können Sie gerne eine Online-Anfrage stellen.
Herdenschutzteam
Das Thema Herdenschutz ist Teil des Arbeitsbereichs Luchs und Wolf. Unter Koordination von Laura Huber-Eustachi arbeitet ein mehrköpfiges Team an der wissenschaftlichen Begleitung und Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen in Baden-Württemberg. Personen im Werkvertrag übernehmen für einzelne Landkreise die Herdenschutzberatungen. Hier stellen wir Ihnen die Mitarbeitenden und ihre jeweiligen Schwerpunkte vor:
Fördergebiete Wolfsprävention
Um Nutztierhaltende bei der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen finanziell zu unterstützen, hat das Umweltministerium auf Grundlage des landesweiten Monitorings derzeit folgende Fördergebiete Wolfsprävention ausgewiesen (Stand 09.2021):
Fördermittel für Herdenschutzmaßnahmen
In den genannten Fördergebieten Wolfsprävention ist für die Umsetzung von wolfsabweisenden Herdenschutzmaßnahmen die Beantragung von Fördermitteln bei den zuständigen Unteren Naturschutzbehörden möglich. Bisher wird in Baden-Württemberg der Schwerpunkt auf den Schutz von Schafen, Ziegen und Gatterwild gelegt, aber auch Maßnahmen für Abkalbe- und Abfohlflächen- sowie Neuweltkameliden können gefördert werden.
Anträge für die Förderung von präventiven Herdenschutzmaßnahmen können bei der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde der Landratsämter eingereicht werden. Das Antragsformular und weitere Informationen sind i. d. R. auf den Websites der Landratsämter hinterlegt.
Ausgleichszahlungen bei gerissenen Nutztieren
Die Rahmenbedingungen für die Ausgleichszahlungen für vom Wolf geschädigte Nutztiere, wurden innerhalb der Arbeitsgruppe Luchs & Wolf definiert und werden auf der Seite des Umweltministeriums zur Verfügung gestellt.
In Bezug auf den Herdenschutz ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt des Übergriffes die Grundschutzvorgaben korrekt eingehalten sein müssen, um eine Ausgleichszahlung zu erhalten. Dies gilt für Schafe, Ziegen und landwirtschaftliches Gehegewild. Sofern eine Förderung erfolgt ist, gelten auch für Abkalbe- und Abfohlweiden sowie für Weiden von Neuweltkameliden die entsprechenden Vorgaben für einen Ausgleich.
In neu ausgewiesenen Fördergebieten Wolfsprävention gilt hierbei eine Übergangsfrist von einem Jahr. Die Förderung für wolfsabweisende Zäunung besteht auch nach Ablauf dieser Frist fort.
Außerhalb der Fördergebiete werden nachweislich durch den Wolf verursachte Schäden an Nutztieren grundsätzlich erstattet.
Herdenschutz Akut
Bei Verdacht auf einen Nutztierübergriff durch große Beutegreifer, informieren Sie unverzüglich den zuständigen Wildtierbeauftragten oder das Luchs- und Wolfsmonitoring der FVA.
Notfallzaunsets
Die FVA verwaltet im Auftrag des Umweltministeriums Notfallzaunsets. Diese können eingesetzt werden, falls eine betroffene oder benachbarte Nutztierherde nach einem Wolfsübergriff schnell geschützt werden muss und den Tierhaltenden kein eigenes Material zur Verfügung steht. Sie sind an verschiedenen Orten in den Förderkulissen gelagert. Die kleinen und großen Notfallzaunsets bestehen aus 5 bzw. 10 Weidenetzen (Höhe 105 cm) und dem benötigten Zubehör. Die Leihdauer beträgt i. d. R. 14 Tage.
Auch Foxlights oder Flatterband können für eine rasche Aufrüstung bestehender Zäune angefragt werden. Akute Anfragen richten Sie bitte an den Kontakt des Luchs- und Wolfsmonitorings. Generelle Auskunft erfolgt über die Herdenschutzberatung.
Herdenschutzexpertise an der FVA
Bei der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen stehen Nutztierhaltende in der teilweise sehr klein strukturierten und vielfältigen Landschaft von Baden-Württemberg vor besonderen Herausforderungen. Teils steiles Gelände und traditionell etablierte Weideformen auf naturschutzfachlich interessanten Flächen erfordern individuelle Lösungswege und ein breites Fachwissen. Darum wurde die FVA 2019 vom Umweltministerium und dem Ministerium für Ländlichen Raum mit dem Aufbau einer Herdenschutzexpertise beauftragt. Diese setzt sich aus zwei Säulen zusammen.
1. Säule: Forschung
Das Herdenschutzteam bündelt und erprobt praktische Erfahrungen, technisches Know-how und wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Herdenschutz aus dem In- und Ausland. Praxisorientierte Ansätze stehen bei wissenschaftlichen Projekten im Fokus z. B.:
- Wissenschaftliche Begleitung des Projektes Herdenschutz BW von Landesschafzuchtverband und NABU
- Verhalten von Wölfen und anderen Wildtieren an elektrifizierten Zäunen
- Projekt zur Erforschung des Verhaltens von Wölfen gegenüber Zäunen im Kooperation mit AGRIDEA (Schweiz)
- F&E-Projekt des BfN zu alternativen Herdenschutzmaßnahmen in Kooperation mit der Hochschule Nürtingen-Geislingen und AGRIDEA
- Mitarbeit der FVA am internationalen Magazin „Carnivore Damage Prevention News“
2. Säule: Netzwerke und Wissenstransfer
Im Umgang mit großen Beutegreifern setzt sich der Arbeitsbereich für den Aufbau und die Stärkung von Netzwerken zwischen Nutztierhaltenden, Behörden, Verbänden sowie weiteren Interessensgruppen ein, die dem fachlichen Diskurs und der Kommunikation auf Augenhöhe dienen z. B.:
- LIFE EuroLargeCarnivores Projekt
- Austausch mit internationalen Herdenschutzberatenden
- AG Luchs und Wolf auf Landesebene
- Regionale Praxisgruppen
- Netzwerkberatung auf Landkreisebene
- Austausch und Zusammenarbeit mit Naturparken, Biosphärengebieten u.v.m.
- Fachliche Beratung auf Anfrage in diversen Gremien, die die Koexistenz von Mensch und Wildtieren unterstützen möchten
Ziel ist es, das notwendige Wissen aus Forschungsprojekten und Praxis zusammenzutragen und bei Beratungsgesprächen, Vorträgen, Zaunbauschulungen, Exkursionen und Netzwerktreffen zu vermitteln und auszutauschen. Im Bereich Wissenstransfer und Kommunikation werden Informationen stetig aufbereitet und zur Verfügung gestellt.
Veranstaltungshinweise
Bitte melden Sie sich bei Interesse an Veranstaltungen beim FVA-Newsletter an.
Auf deutschlandweite Veranstaltungen zum Herdenschutz können Sie sich über den DVL-Newsletter hinweisen lassen.
Links und weiterführende Literatur
- Weiterführende Informationen zum Herdenschutz, sowie zum Monitoring und zu menschlichen Konflikten um den Wolf finden Sie beim Infomaterial.