Herdenschutz bei Rindern
Wölfe ernähren sich überwiegend von Wildtieren. Jedoch können einzelne Wölfe in der Lage sein, Rinder anzugreifen und zu töten. Hierbei ist das Risiko einer Verletzung für einen Wolf beim Angriff, je nach Wehrhaftigkeit der Rinder, nicht unerheblich. Im bundesweiten Durchschnitt sind daher vorwiegend jüngere und unerfahrene Rinder betroffen.
Welche Rinder sind gefährdet?
Übergriffe auf Rinder sind vergleichsweise selten: Bei rund 7% der erfassten wolfsverursachten Schäden an Nutztieren in Deutschland handelte es sich um Rinder, hierunter hauptsächlich Kälber unter 14 Tagen (Bericht der DBBW, 2022) .
Ob und wann ein Wolf eine Rinderherde angreift, wird dabei von vielen Faktoren beeinflusst. Erwachsene Rinder gelten als deutlich wehrhafter als Kälber oder Jungrinder. Zudem kann ein funktionierender Herdenverbund einen guten Schutz darstellen. Faktoren wie Herdenzusammensetzung und individuelle Charakteristika der Rinder haben dabei ebenso Einfluss wie die Übersichtlichkeit der Weideflächen und die Art der Zäunung.
Das Risiko eines Angriffs ist aber zum Beispiel dann erhöht, wenn sich neugeborene Kälber abseits des Herdenverbandes oder sogar außerhalb der Weideflächen ablegen. Der Schutz von Kälbern in den ersten Lebenswochen wird entsprechend überall dort empfohlen, wo Wölfe leben.

Abb. 1: Anteil durch Wölfe geschädigter Rinder 2021 nach Alter (n = 251). Die Abweichung von 100 % ergibt sich aus dem Runden der Zahlen. Quelle: DBBW, 2022
Übergriffe auf Rinder im Südschwarzwald
Stand März 2023: Während im deutschlandweiten Vergleich Kälber in einem Alter unter 14 Tagen am häufigsten von Angriffen durch Wölfe betroffen waren, weichen die Daten der bestätigten Übergriffe von Wölfen auf Rinder in Baden-Württemberg von dieser Statistik ab.
Seit November 2021 wurden in Baden-Württemberg wiederholt Übergriffe auf Rinder bestätigt, überwiegend durch einen im Südschwarzwald residenten Wolf mit der Kennung GW1129m.
Seit dem ersten Übergriff auf ein Jungrind im November 2021 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 9 Nachweise von Wölfen an Rindern bestätigt.
- In 8 Fällen wurde ein Wolf als Verursacher der Schäden bestätigt, in einem weiteren Fall konnte nicht geklärt werden, ob ein Wolf Verursacher oder lediglich Nachnutzer gewesen ist.
- Insgesamt waren dabei 11 Rinder betroffen, wovon 8 getötet bzw. tödlich verletzt wurden und 3 verletzt wurden, den Übergriff jedoch überlebt haben.
- In allen Fällen handelte es sich um Rinder im Alter von über 2,5 Monaten; in 2 Fällen waren die betroffenen Rinder mehrere Jahre alt.
Es ist möglich, dass der Wolf GW1129m auch weiterhin Rinder ohne ausreichenden Schutz angreifen wird. Die meisten Übergriffe fanden auf weniger wehrhafte Jungviehherden ohne adulte (ausgewachsene) Tiere statt. Angrenzende Mutterkuhherden wurden in diesen Fällen nicht angegriffen.
Wo ist GW1129m bisher nachgewiesen?
Nachweise des Wolfes GW1129m sind rund um den Schluchsee zwischen Ühlingen-Birkendorf, Dachsberg (Südschwarzwald), Bernau im Schwarzwald, Titisee-Neustadt und Bräunlingen registriert worden.

Abb. 1: Nachweise des Wolfes GW1129m (Stand: August 2022). Quelle: FVA
Welche Maßnahmen eignen sich, um das Risiko eines Angriffs zu reduzieren?
Langfristig kann der Schutz von gefährdeten Tieren durch eine oder die Kombination von mehreren der folgenden Maßnahmen verbessert werden:
- Kompakte Weideführung.
- Erhöhung der Wehrhaftigkeit und Ordnung der Herden durch Integration von adulten und erfahrenen Tieren in Jungrinderherden.
- Räumliche und zeitliche Konzentration von Abkalbung und Aufzucht in Kombination mit elektrifizierten Herdenschutzzäunen mit 5 elektrischen Leitern (20-40-60-90-120 cm ab Boden).
Hinweis: Zäune sind innerhalb der Förderkulisse Wolfsprävention für Kälber und Jungringer bis zu einem Jahr auf ausgewählten Teilflächen, unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit von Fläche und Anzahl der Tiere, mit einem Fördersatz bis zu 100% förderfähig. - Einsatz von Zäunen mit 3 elektrischen Leitern auf Flächen, die regelmäßig durch Mutterkuhherden mit Kälbern beweidet werden. Ziel ist es, das Entweichen der Kälber zu vermeiden.
- In Einzelfällen, nach Beratung durch die FVA, der Einsatz von Herdenschutztieren.
Natürlich sind nicht alle Maßnahmen für jeden Betrieb umsetzbar und können gegebenenfalls eine betriebliche Umstellung erfordern. Aktuell laufen national und international verschiedene Projekte, um bestehende Maßnahmen zu verbessern oder neue zu entwickeln. Auch in Baden-Württemberg ist ein entsprechendes Kooperationsprojekt von BLHV, EZG und Naturpark Südschwarzwald angelaufen.
Für die Entwicklung grundsätzlicher, langfristiger Lösungen wird eine Herdenschutzberatung durch die Mitarbeitenden der FVA dringend empfohlen.
Sofortmaßnahmen nach einem Übergriff
Nach einem Übergriff durch einen Wolf im eigenen Betrieb oder nahen Umkreis sollten die Tiere nach Möglichkeit nächtlich eingestallt werden. Ist eine entsprechende Unterbringung nicht umsetzbar, kann das Risiko eines erneuten Angriffs mit folgenden Maßnahmen kurzfristig reduziert werden. Betroffene Betriebe können hierfür Material bei der FVA anfragen.
Bei kleinen Koppeln:
- Aufrüsten der Koppel auf 5 Litzen (z.B. durch den Einsatz von Kunststofflitzen und mobilen Pfosten)
- Elektronetze zur Verstärkung des bestehenden Zaunes
- Aufstellen und regelmäßiges Umstellen von Blinklichtern, z.B. „FoxLights“ (Wirksamkeit auf wenige Tage begrenzt)
- Installation von Lappzäunen (auch „Flatterband“) am bestehenden Zaun (Wirksamkeit auf wenige Wochen begrenzt)
- Beschallung der Fläche mit Radio (Wirksamkeit auf wenige Tage begrenzt)
- Veränderung der Weide / Umgebung, z.B. durch Abstellen eines Fahrzeuges an ungewohnter Stelle (Wirksamkeit auf wenige Tage begrenzt)
Bei großen Koppeln:
- Aufrüsten der Zäune mit Lappzäunen (Wirksamkeit auf wenige Wochen begrenzt) oder elektrifizierten Lappzäunen (auch „Turbo Fladry“) (Wirksamkeit von mehreren Wochen bis Monaten)
- Nächtliche Unterbringung der Tiere auf speziell geschützte Teilflächen innerhalb der großen Koppel (wie oben beschrieben, mittels 5 Litzen/ Netzen/ Lappzäunen o.ä.)
Weiterführende Links
- Amerikanische Publikation zu elektrifiziertem Lappzaun: https://www.nrdc.org/sites/default/files/installing-turbo-fladry-guide-ib.pdf
- Zusammenfassung zu Lappzaun / Flatterband aus der Schweiz: chwolf.org/assets/documents/woelfe-ch/Herdenschutz-Publikationen/Dokumente-CHWOLF/InfoFlyer-Lappenzaun.pdf