Herdenschutz bei Rindern

Wölfe ernähren sich überwiegend von Wildtieren. Kommt es zu Übergriffen auf Nutztiere, werden überwiegend Schafe und Ziegen erbeutet. Jedoch sind Wölfe auch in der Lage, Rinder anzugreifen und zu töten.

Ausgewachsene Rinder sind durch ihre reine Körpergröße nicht so einfach zu erbeuten wie Schafe und Ziegen. Zudem ist bei einem Angriff auf Rinder das Risiko einer Verletzung für einen Wolf nicht unerheblich. Rinder gelten als vergleichsweise wehrhaft und reagieren teilweise aggressiv auf potentielle Bedrohungen. Allerdings gibt es deutliche individuelle charakterliche und rassebedingte Unterschiede. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich erwachsene Rinder und Pferde jeder Rasse generell selbst vor Übergriffen schützen können und deshalb keines Herdenschutzes bedürfen. Dennoch sind Übergriffe auf Rinder vergleichsweise selten: Bei rund 7 % der erfassten wolfsverursachten Schäden an Nutztieren in Deutschland handelt es sich um Rinder, hierunter hauptsächlich Kälber unter 14 Tagen (Bericht der DBBW, 2022).

Ob und wann ein Wolf eine Rinderherde angreift, wird dabei von vielen Faktoren beeinflusst. Erwachsene Rinder gelten als deutlich wehrhafter als Kälber oder Jungrinder. Zudem kann ein funktionierender Herdenverbund einen guten Schutz darstellen. Faktoren wie Herdenzusammensetzung und individuelle körperliche und geistige Charakteristika der Rinder haben dabei ebenso Einfluss wie die Übersichtlichkeit der Weideflächen und die Art der Zäunung.

Das Risiko eines Angriffs ist zum Beispiel dann erhöht, wenn sich neugeborene Kälber abseits des Herdenverbandes oder sogar außerhalb der Weideflächen ablegen. Der vorrangige Schutz von Kälbern in den ersten Lebenswochen wird entsprechend überall dort empfohlen, wo Wölfe leben.

Um Rinder möglichst effektiv vor einem Übergriff zu schützen, kann der bereits erprobte wolfsabweisende Schutz eingesetzt werden. Dieser verhindert in den meisten Fällen das Eindringen des Wolfes in eine Herde. Er entspricht dem wolfsabweisenden Schutz bei Schafen und Ziegen. Aufgrund der sehr großen Weideflächen und des niedrigeren Risikos, dem Rinder im Vergleich zu Schafen und Ziegen ausgesetzt sind, wird es vor diesem Hintergrund als unverhältnismäßig eingestuft, Rinder jeden Alters durch wolfsabweisende Maßnahmen zu schützen. Wolfsabweisende Schutzmaßnahmen werden daher vor allem bei gefährdeten Kälbern empfohlen und entsprechend gefördert (siehe „Welche Rinder sind gefährdet?“). Bei älteren Tieren können bereits weniger aufwendige Maßnahmen das Risiko von Übergriffen reduzieren.

Der zumutbare Herdenschutz ist ein Kompromiss aus Schutzwirkung und Umsetzbarkeit. Der zumutbare Herdenschutz ist daher keine fachliche Empfehlung, wie Angriffe auf Rinder mittels Herdenschutz vermieden werden können, sondern eine Einordnung, welche risikomindernden Schutzmaßnahmen den Betrieben zugemutet werden können. Wird der zumutbare Herdenschutz mehrfach von einem Wolf überwunden, so prüft das Umweltministerium die Entnahme des schadstiftenden Wolfes. Welche Maßnahmen in Baden-Württemberg als zumutbar angesehen werden, hängt von dem Alter der Rinder ab. Die Maßnahmen sind auf der Seite des Umweltministeriums dargestellt.

Unabhängig von der Zumutbarkeit gibt es unterschiedliche Maßnahmen, um das Risiko eines Übergriffes auf Rinder/Rinderherden zu senken. Nicht alle der genannten Maßnahmen sind für jeden Betrieb umsetzbar. Ziel ist, dass Betriebe die für sie am einfachsten umsetzbaren Maßnahmen auswählen. Einzelne Maßnahmen können gegebenenfalls eine betriebliche Umstellung erfordern.

Im Folgenden werden die Herdenschutzmaßnahmen für die Rinderhaltung genauer beschrieben. Betriebe können sich mit dem Maßnahmenkatalog über die Möglichkeiten informieren, wie sie ihre Herde besser gegen den Wolf schützen und das Risiko von Wolfsübergriffen mindern können. Dieser Katalog wird laufend ergänzt und evaluiert.

Für die Entwicklung grundsätzlicher, langfristiger Lösungen wird eine Herdenschutzberatung durch das Beratungsteam der FVA oder durch die zuständigen Förderbehörden (UNB) empfohlen.

Wolfsabweisende Maßnahmen

Die nachfolgenden Maßnahmen haben wolfsabweisende Wirkung und werden für Rinder bis zu einem Alter von einschl. 8 Wochen als regelmäßig zumutbar definiert.

Wolfsbweisende Zäunung:

  • Halbmobile wolfsabweisende Zäunung:
    Als halbmobiler Litzenzaun werden Zäune bezeichnet, die an den Ecken und in einem größeren Abstand über feste Pfosten verfügen und mit mobilen Zwischenpfosten ergänzt werden. Diese Zäune werden nach der Nutzung i. d. R. bis auf die festen Pfosten wieder abgebaut. Vier bis fünf Litzen sollten auf den Höhen 20; 40; 60; 90; 120 cm vom Boden entfernt gespannt sein.
  • Permanente wolfsabweisende Zäunung:
    Festzaun mit fünf Litzen, gespannt auf den Höhen 20; 40; 60; 90; 120 cm vom Boden entfernt. Verschiedene Ausführungen und Varianten sind Möglich. Je nach Installation ist ein komplettes Ablegen oder Ablegen bestimmter Abschnitte möglich. Diese Zäune sind zwar aufwändiger in der Installation, dafür aber lange haltbar.
  • Mobile wolfsabweisende Zäunung:
    Mobilzäune kommen vor allem auf Flächen zum Einsatz, die nur über begrenzte Zeiträume beweidet werden oder wo es erforderlich / vorgeschrieben ist, die Zäune ab- und aufzubauen. Vier bis fünf Litzen sollten auf den Höhen 20; 40; 60; 90; (120) cm vom Boden entfernt gespannt sein. Mobilzäune können einen wichtigen Baustein im Weidemanagement darstellen, wenn sie bei wechselnden Koppelflächen oder zur Unterteilung einer großen Weidefläche zusätzlich zum umlaufenden Zaun genutzt werden. 
  • Wolfsabweisende Weidenetze:
    Die Verstärkung der bestehenden Zäunung durch außerhalb der Bestandszäunung aufgestellte wolfsabweisende Weidenetze kann sowohl als Notfall- als auch als flexible Maßnahme eingesetzt werden. Die Weidenetze sollten die gesamte Weidefläche umschließen und eine effektive Höhe von mind. 90 cm aufweisen – also auch bei Bodenunebenheiten möglichst diese Höhe halten, z.B. durch die Verwendung von Zusatzpfosten. Es empfiehlt es sich daher, direkt Weidenetze mit einer Höhe von mindestens 105 cm zu verwenden.

Integration von Herdenschutzhunden:        

Der Einsatz von Herdenschutzhunden zielt auf den Schutz vor Gefahren durch große Beutegreifer, Greif- und Rabenvögel aber auch Diebstahl durch akustische, geruchliche und körperliche Präsenz ab. Ob ein Einsatz von Herdenschutzhunden sinnvoll und umsetzbar ist, hängt unter anderem von der Motivation der Tierhaltenden, den Betriebsabläufen und -umständen (z.B. Tourismusintensität, Nähe zur Nachbarschaft etc.), der Weidetieranzahl, der Wahl einer geeigneten Rasse sowie den Geländegegebenheiten ab. Die Integration von Herdenschutzhunden in Rinderherden ist, verglichen mit der bei Schafen und Ziegen, häufig zeitaufwändiger, kann jedoch auch bei diesen Nutztieren funktionieren. Es müssen mindestens zwei Hunde pro Herde eingesetzt werden. Der Einsatz von Herdenschutzhunden soll nach Möglichkeit in Verbindung mit wolfsabweisender Zäunung stattfinden. Für eine Förderung von HSH ist eine vorangehende Beratung durch die FVA obligatorisch.

Behirtung am Tag (menschl. Präsenz am Tag):

Diese Maßnahme basiert auf der abschreckenden Wirkung der menschlichen Präsenz. Hütende Personen halten sich ständig bei den Tieren auf und bleiben in Sichtweite der Tiere. Eine kompakte Weideführung kann zu einer verbesserten Übersichtlichkeit der Weiden und somit zur Vereinfachung der Arbeit der hütenden Person beitragen. In Hütepausen und nachts werden die Tiere auf wolfsabweisend gesicherte Flächen oder in Stallanlagen geführt oder bspw. in Notfallsituationen auch durch eine Nachtwache geschützt. Trotz der Effizienz der Maßnahme ist sie unter aktuellen Förder- und Personalbedingungen noch für sehr wenige Betriebe umsetzbar und praktikabel.

Stallungen:

Auf Flächen mit mobilen/festen Stallanlagen sind die Tiere kompakt beieinander und durch den Herdenverbund wird das Risiko eines Angriffs gesenkt. Nur in seltenen Fällen dringen Wölfe in (offene) Ställe ein. Mobile Ställe eignen sich v.a. für kleinere Tierbestände und können auf verschiedenen Flächen zum Einsatz kommen. Tiere können nachts in diesen geschützt werden (auch als Notfallmaßnahme denkbar in Bereichen, in denen Tiere täglich in Stallanlagen verbracht werden können).
Ein Stall gilt als ausreichend geschützt, wenn einer der folgenden Punkte erfüllt ist:

  • Rundherum (mechanisch) geschlossen, auch große Fenster, Tore etc.
  • Stall innerhalb wolfsabweisend gezäuntem Auslauf
  • Alttiere stehen im Stall so bei Jungtieren dabei, dass sie diese schützen könnten (bspw. nicht in Anbindehaltung)

Nachtkoppel (wolfsabweisend gezäunte Flächen):   

Wolfsabweisend gezäunte Flächen (durch Netze/Litzensysteme mit mind. 90 cm Höhe; Litzen auf 20, 40, 60, 90 (und 120) cm) dienen den Tieren nachts als geschützte Flächen. Dies können bspw. auch zäunbare Teile einer größeren Weidefläche sein. Der Schutz bzw. die Risikoreduzierung am Tag ist durch andere Maßnahmen (bspw. Behirtung) umzusetzen.

Nachtwache:

Diese Maßnahme basiert auf der abschreckenden Wirkung der menschlichen Präsenz. Nachtwache haltende Personen halten sich ständig bei den Tieren auf und bleiben in Sichtweite der Tiere. Eine kompakte Weideführung trägt zu einer verbesserten Übersichtlichkeit der Weiden und somit zu einer Vereinfachung der Arbeit der Nachtwache bei. Durch den hohen personellen Aufwand wird die Nachtwache meist nur als Notfallmaßnahme umgesetzt.

Risikomindernde Maßnahmen (im Rahmen der Zumutbarkeit bei Rindern)

Die nachfolgenden Maßnahmen können das Risiko von Wolfsübergriffen auf Rinderherden senken, werden jedoch im bundesweiten Stand nicht als wolfsabweisend‘ bezeichnet. Sie bieten für viele Betriebe jedoch eine Option, das Gefahrenpotential für ihre Tiere zu reduzieren sowie den zumutbaren Herdenschutz zu erfüllen (siehe Reiter ‚„Unterscheidung „wolfsabweisender Schutz“ und „zumutbarer Schutz“‘).

In Baden-Württemberg wurden diese Maßnahmen bzw. Kombinationen für Betriebe mit Rindern ab einem Alter von 9 Wochen als zumutbar definiert. Die konkreten Vorgaben zu den als zumutbar definierten Maßnahmen sind der Homepage des UM zu entnehmen.

Kompakte Herdenführung:

Durch verschiedene Möglichkeiten soll ein Herdenverbund gewährleistet werden. Das Risiko eines Übergriffs wird dadurch minimiert, dass alle Tiere in die Herde integriert sind und im Falle eines Übergriffs kompakt stehen bzw. den Schutz durch die Gruppe selbst suchen.

  • Unterteilung der Flächen in kompakte und übersichtliche Schläge:
    Eine Unterteilung weitläufiger Weideflächen (bspw. durch eine einfache stromführende Litze) trägt zur verbesserten Übersichtlichkeit für Mensch und Tiere bei. Potentielle Gefahren können so schneller erkannt und die tägliche Kontrolle durch Tierhaltende erleichtert werden. Des Weiteren kann so der Herdenverbund gestärkt werden. Wichtig ist hierbei die Beachtung der natürlichen Ausstattung der Weide (z.B. Tränkezugang). Eine geschickte Trassenführung (bspw. auf Kuppen anstatt in Senken) ermöglicht eine bessere Übersichtlichkeit.
  • Vorweide der Herde bzw. gemeinsame Stallhaltung:
    Alternativ kann der Herdenverbund auch durch eine mehrtägige Vorweide bzw. gemeinsame Haltung in Stallflächen gestärkt werden. Dies ist zum Beispiel bei der Zusammenführung von Pensionsvieh aus verschiedenen Betrieben denkbar. Ziel ist es, eine Gruppenzusammengehörigkeit zu fördern, bevor die Tiere zur Weideperiode auf weitläufige Weideflächen gebracht werden.
  • Überjährige Herden:  
    Die kompakte Herdenführung wird als erfüllt betrachtet für Herden, die in (der) vergangenen Weideperiode(n) bereits gemeinsam geweidet haben und in die keine neuen Fremdrinder (bspw. Pensionsvieh) integriert wurden.

Gezielte Förderung von Kühen mit guten Mutterinstinkten:

Ausgewachsene Rinder werden in Deutschland deutlich seltener von Wölfen angegriffen und durchmischte Herden, zusammengesetzt aus Jung- und Alttieren, können in Gefahrensituationen vom gegenseitigen Schutz und Führung profitieren. Mutterkühe mit ausgeprägter Kälberbindung können daher das Risiko von Übergriffen durch Wölfe reduzieren. Entscheidend sind hier jedoch die individuellen und rassetypischen Eigenschaften der Tiere. Die konkreten Vorgaben zu den als zumutbar definierten Maßnahmen (bspw. Anzahl der Tiere und Zusammensetzung der Herden) ist der Homepage des UM zu entnehmen.

Unabhängig von der Zumutbarkeit ist zu bedenken, dass auf sehr weitläufigen und unübersichtlichen Weiden Kälber/Jungrinder auch innerhalb der Weide gefährdet sein können, wenn sie sich abseits der Herde aufhalten/ablegen. In diesem Fall ist es zu empfehlen, mit entsprechender Zäunung (z.B. mobil) ein Ablegen weitab der Herde zu vermeiden.

Integration von wehrhaften Alttieren:

Ausgewachsene Rinder werden in Deutschland deutlich seltener von Wölfen angegriffen und durchmischte Herden, zusammengesetzt aus Jung- und Alttieren, können in Gefahrensituationen vom gegenseitigen Schutz, Erfahrung und Führung profitieren. Alttiere können daher zur Risikoreduktion von Übergriffen durch Wölfe beitragen. Entscheidend sind hier jedoch die individuellen und rassetypischen Eigenschaften der Tiere. „Wehrhaft“ ist in diesem Zusammenhang als die potentielle körperliche und erfahrungsbedingte Fähigkeit zu verstehen, Risikosituationen von Alltag unterscheiden und entsprechend reagieren zu können. Empfohlen wird daher der Einsatz von Tieren mit einem gewissen Weideerfahrungsstand, Alter sowie körperlichem Zustand. Die konkreten Vorgaben zu den als zumutbar definierten Maßnahmen (bspw. Anzahl der Tiere und Zusammensetzung der Herden) ist der Homepage des UM zu entnehmen.  

Elektrifiziertes Turbo-Fladry:

Der elektrifizierte Lappenzaun besteht aus an einer stromführenden Litze befestigten Stoff- oder Kunststofflappen. Wölfe meiden in der Regel ungewohnte, schlecht einschätzbare und für sie möglicherweise gefährliche Situationen. Die sich ständig im Wind unterschiedlich bewegenden Lappen können Wölfe verunsichern, daher meiden sie tendenziell den direkten Kontakt und das Durchschlüpfen. Zusätzlich dient bei dieser Form des Lappenzauns der Stromschlag bei Berührung der Litze als Abschreckung.

Der elektrifizierte Lappenzaun ist ein temporäres Hilfsmittel im Herdenschutz und muss regelmäßig umgestellt werden, um eine Gewöhnung von Wölfen zu vermeiden. Er kann auf unterschiedliche Weise in bzw. mit der Bestandszäunung genutzt werden.

  • Zusätzliches Turbo-Fladry:     
    Eine Variante Turbo-Fladry zu nutzen ist die Errichtung des elektrifizierten Lappenzaunes mithilfe mobiler Pfosten außerhalb der Bestandszäunung im Abstand von 1 – 1,5m.
  • Integriertes Turbo-Fladry:      
    Eine weitere Variante ist es, den elektrifizierten Lappenzaun als unterste stromführende Litze in die Bestandszäunung zu integrieren und somit die gleichen Pfosten für die Führung der Litzen zu nutzen. Auf dieser Weise soll ein einfaches „Durchsteigen“ der Zäunung vermieden werden. Je nach Anzahl der Litzen der bestehenden Zäunung können dabei unterschiedliche Lappenlängen eingesetzt werden.

Damit keine Gewöhnung stattfinden kann, darf ein Lappenzaun immer nur zeitlich beschränkt am selben Ort zum Einsatz kommen. Der regelmäßige Umbau ist Voraussetzung dafür, dass die Maßnahme weiterhin genutzt werden kann. Die konkreten Vorgaben zur Nutzung der elektrifizierten Lappzäune als zumutbar definierte Maßnahme (bspw. Standzeiten, Flächengrößen etc.) ist der Homepage des UM zu entnehmen.

Integration von Lamas (nicht Alpakas!): 

Das Lama ist eine domestizierte Form der Neuweltkameliden. Als Herdenschutztiere wurden sie erstmals in den frühen 1980er-Jahren in den USA eingesetzt. Ihre Schutzwirkung beruht auf einer natürlichen Abneigung gegenüber Hundeartigen. Sie können zu verschiedenen Tierarten eine soziale Bindung aufbauen und verteidigen diese gegenüber artfremden Tieren z.T. mittels Beißen, Ausschlagen, Schreien, Spucken und Wegdrücken. Im Verhalten gegenüber Hunden haben sich starke individuelle Unterschiede gezeigt. Die Auswahl der «richtigen» Lamas ist daher sehr wichtig. Zum Aufbau einer Bindung zwischen Schutztier und Herde ist eine geeignete Integration notwendig. Eine kompakte Weideführung kann das Schutzverhalten positiv beeinflussen.

Da Lamas als „Exoten“ entsprechende Ansprüche haben, bedarf es einer gründlichen Einarbeitung der Tierhaltenden: Die Haltung von Lamas muss entsprechend den tierschutzrechtlichen Vorgaben und unter Nachweis der erforderlichen Sachkunde der Tiere stattfinden und ist daher nur für versierte Tierhaltende zu empfehlen. Aus Tierschutzgründen sind mind. zwei Lamas (Stuten/Walache) pro Herde einzusetzen. Beim Einsatz von mehr als zwei Tieren steigt das Risiko, dass sich die Lamas als eigene Herde von den zu schützenden Tieren abkoppeln.    
In Regionen mit etablierten Wolfsrudeln wird ein Einsatz von Lamas als alleinige Herdenschutzmaßnahme nicht empfohlen und/oder gefördert und ist daher ausschließlich in Gebieten mit durchziehenden oder residenten Einzelwölfen eine potentielle Möglichkeit.

Vor Einsatz und als Voraussetzung einer potentiellen Förderung von HS-Tieren ist eine Beratung durch die FVA obligatorisch, in der unter anderem weiterreichende Informationen und Ansprechpartnerinnen und -partner zu den Voraussetzungen zur Haltung der Tiere gegeben werden.

Die konkreten Vorgaben zu den als zumutbar definierten Maßnahmen (bspw. Anzahl der Tiere und Zusammensetzung der Herden) ist der Homepage des UM zu entnehmen.

Grundsätzlich empfohlene Strukturmaßnahmen:

Im Folgenden werden einige Maßnahmen erläutert, die generell empfohlen werden und die die Anwendung der obenstehenden Maßnahmen erleichtern können. Ebenso können sie die Handhabe für Tierhaltende vereinfachen.

Konzentrierte Abkalbephasen:    

Eine konzentrierte Abkalbephase im Stall oder auf einer wolfsabweisend gezäunten Abkalbefläche ermöglicht, dass die laut deutschlandweiter Statistik am häufigsten betroffenen Jungtiere über einen begrenzten Zeitraum gezielt geschützt werden können.

Spannungswarnsysteme:

Verschiedene Systeme unterstützen die Kontrolle der Zaunfunktion.

  • Ein Hilfsmittel für die visuelle Kontrolle der Stromspannung sind am Zaun angebrachte Blinklichter, die von verschiedenen Herstellern angeboten werden. Das kleine Gerät wird in das Leitermaterial eingehängt. Bei einfachen Geräten leuchtet ein Licht im Takt der Stromimpulse auf und erlischt, sobald die Stromspannung unter einen bestimmten Wert fälltfällt, andere Geräte beginnen ab einem gewissen Spannungsabfall (teils in verschiedenen Stufen) zu blinken.
  • Weidezaungeräte mit Alarmfunktion ermöglichen die Überwachung des Stromflusses. Sie senden z.B. eine SMS, falls dieser durch eine Belastung gestört wird. Diese Systeme sind nicht nur für wolfsabweisende Zaunsysteme zu empfehlen, sondern können auch bei Standardzäunungen helfen, die Funktionsweise zu überprüfen, Ausbrüche zu erkennen oder Schäden am Zaun (bspw. durch herabfallende Äste bei Sturm) schneller zu bemerken.

Zäunung nach AID:   

Die Empfehlungen der AID-Broschüre „Sichere Weidezäune“ (2016) dienen in Versicherungsfällen (auch unabhängig vom Wolf) als Referenzwerte und beinhalten eine Staffelung der Zäunungsempfehlungen unterschiedlicher Tierkategorien und Herdenstrukturen nach Risikobereichen: In ausbruchssensiblen Gebieten (Risikobereich 2 und 3) sind für Mutterkühe mit Nachzucht drei stromführende Drähte erforderlich, in ruhigen Lagen genügen zwei. Kalben die Mutterkühe auf der Weide, können sogar vier Drähte zweckmäßig sein. Für „weideerfahrene“ Milchkühe genügt meistens ein eindrähtiger Zaun. Bei der Weidehaltung von über 6 Monate alten Bullen ist der Außenzaun generell mit drei stromführenden Stahldrähten auszuführen, sofern nicht länderspezifische Bestimmungen zu beachten sind. Weiterführende Informationen zu Risikobereichen etc. können der AID-Broschüre entnommen werden.

Die AID-Broschüre befindet sich derzeit in der Überarbeitung.

Weidehygiene:

Mit einer guten Weidehygiene ist bspw. das schnelle Entfernen von Tot- und Nachgeburten auf offenen Weideflächen gemeint. Sie verhindert, dass Wölfe lernen auf Rinderweiden nach Nahrung zu suchen (positive Assoziation). Dies kann durch eine (ggf. mehrmals) tägliche Kontrolle von kalbenden Herden umgesetzt werden.

Strukturförderung als Ablageflächen für Kälber: 

Kälber, die sich außerhalb des Einflussbereiches von Mutter- und Alttieren aufhalten, sind einem höheren Risiko von Wolfsübergriffen ausgesetzt. Dies geschieht beispielsweise, wenn junge Kälber hohes Gras oder buschige Strukturen außerhalb der Weideflächen aufsuchen, um sich dort in der Deckung ablegen zu können.  Sollte eine Abkalbung auf der Weidefläche unumgänglich oder gewünscht sein, ist die Schaffung von Strukturen innerhalb der Weideflächen zu empfehlen, die sehr junge Kälber nach der Geburt bevorzugt als Versteckmöglichkeiten und Ablegeflächen nutzen. Auf diese Weise kann der Kälberflucht entgegengewirkt werden.

Hofnahe und übersichtliche Weideflächen für jüngere und hochtragende Tiere:

Vor allem Kälber und Jungrinder sind dem Risiko von Wolfsübergriffen ausgesetzt. Wenn diese Tiergruppen auf hofnahen und übersichtlichen Flächen weiden, ermöglicht dies eine gute Betreuung der Tiere und senkt das Risiko von Übergriffen. Stark verbuschte, bewaldete oder abgelegene Flächen können das Risiko dagegen erhöhen.

Schutz in der Nacht:   

Da Wölfe vor allem (aber nicht ausschließlich) nachtaktive Tiere sind, ist der Schutz von Weidetieren in der Nacht besonders wichtig. Dieser kann beispielsweise durch ortsfeste oder mobile Ställe, wolfsabweisend oder mit Turbo-Fladry gezäunten Nachtkoppeln oder auch durch Nachtwache gewährleistet werden, wenn die Maßnahme nach oben genannten Angaben betrieben wird. Zwar ist diese Art von Schutz mit einem täglichen Mehraufwand verbunden, kann das Risiko eines Übergriffes jedoch drastisch reduzieren. Je nach gewählter Schutzart sind die Rinder bei Aufenthalt auf den entsprechenden Flächen/im entsprechenden Stall wolfsabweisend bzw. zumutbar geschützt (siehe oben zur Beschreibung der Einzelmaßnahmen sowie Einordnung in den Schutzstatus).

Herdengröße und –Zusammensetzung: 

Hinsichtlich den Empfehlungen zur Herdengröße gibt es unterschiedliche Aussagen zu Wachsamkeit und Handhabbarkeit der Tiere. Studien zeigen, dass Schäden bei Einzeltieren oder Herden mit weniger als acht Tieren höher sind. Werden die Herden jedoch sehr groß, kann dies zu einer abnehmenden Wachsamkeit (bspw. durch Sichtbehinderung) und Handhabbarkeit für Tierhaltende führen.

Risikomindernde Maßnahmen

Die folgenden Erläuterungen beschreiben Maßnahmen, die das Risiko eines Übergriffes von Wölfen auf Rinder senken können, jedoch im zumutbaren oder wolfsabweisenden Herdenschutz keine Anwendung finden. Nichtsdestotrotz können sie für einige Betriebe eine Option sein, das Gefahrenpotential für ihre Tiere zu reduzieren.

Behornung:

Behornte Rinder verfügen über zusätzliche Verteidigungsmöglichkeiten. Entscheidend sind hier jedoch die individuellen und rassetypischen Eigenschaften der Tiere. Es können daher keine generellen Aussagen zur Schutzfunktion von Behornung auch ausgewachsener Tiere getroffen werden.

Lappenzäune (nicht elektrifizierter Fladry):

Der Lappenzaun besteht aus einem Tragseil mit in regelmäßigen Abständen befestigten Stofflappen (ca. 50 x 10 cm), das i.d.R. mithilfe von mobilen Pfosten im Abstand von 1 – 1,5 m außerhalb der bestehenden Zäunung aufgebaut wird. Der Lappenzaun muss so angebracht werden, dass die Lappen frei schwingen bzw. im Wind flattern können (bspw. auf ca. 70 cm). Damit sich die Lappen nicht verfangen ist die Bewuchshöhe und –struktur zu beachten.

Wölfe meiden in der Regel ungewohnte, schlecht einschätzbare und für sie möglicherweise gefährliche Situationen. Die sich ständig im Wind unterschiedlich bewegenden Lappen können Wölfe verunsichern, daher vermeiden sie tendenziell den direkten Kontakt und das Durchschlüpfen unter ihnen.

Der unelektrifizierte Lappenzaun ist ein temporäres Hilfsmittel im Herdenschutz, dessen Wirksamkeit aufgrund des Gewöhnungseffektes auf Tage bis wenige Wochen beschränkt ist. Der Zaun muss daher regelmäßig umgestellt werden. Unelektrifizierte Lappzäune werden aus diesem Grund vorzugsweise als Notfallmaßnahme, beispielsweise nach einem Übergriff oder während dem Ausfall wolfsabweisender Systeme eingesetzt (siehe „Sofortmaßnahmen nach einem Übergriff“).

Aktuell laufen national und international verschiedene Projekte, um bestehende Maßnahmen zu verbessern oder neue zu entwickeln. Auch in Baden-Württemberg ist ein entsprechendes Kooperationsprojekt von BLHV, EZG und Naturpark Südschwarzwald angelaufen.

Nach einem Übergriff durch einen Wolf im eigenen Betrieb oder nahen Umkreis sollten die Tiere nach Möglichkeit nächtlich eingestallt werden. Ist eine entsprechende Unterbringung nicht umsetzbar, kann das Risiko eines erneuten Angriffs mit folgenden Maßnahmen kurzfristig reduziert werden. Betroffene Betriebe können hierfür Material bei der FVA anfragen.

Bei kleinen Koppeln:

  • Aufrüsten der Koppel auf fünf Litzen (z.B. durch den Einsatz von Kunststofflitzen und mobilen Pfosten)
  • Elektronetze zur Verstärkung des bestehenden Zaunes (außerhalb des Bestandszaunes aufgebaut)
  • Aufstellen und regelmäßiges Umstellen von Blinklichtern, z.B. „FoxLights“, Beschallung der Fläche mit Radio:
    Radios, Blinklichter und Alarme können als Notfallmaßnahmen eingesetzt werden. Ihre abschreckende Wirkung basiert auf den ungewohnten Reizen und werden daher zeitweise gemieden. Sie verlieren aufgrund des Gewöhnungseffektes relativ schnell ihre abschreckende Wirkung und sind daher nur für den übergangsmäßigen Einsatz zu empfehlen. Sie sollten v.a. auf kleinen/kompakten Flächen genutzt werden und in Ergänzung zu wolfsabweisenden Zäunen stehen. Sinnvoll ist ihr Einsatz auch an schwer zäunbaren oder anderweitig schützbaren Trassenpassagen, um das Risiko eines Eindringens über diese Stellen zu minimieren. Ihr Einsatz sollte auf max. 3 Tage am gleichen Ort beschränkt sein und nur bei akutem Wolfsdruck genutzt werden, um eine Gewöhnung zu vermeiden. In siedlungsnahen Gebieten sind Vergrämungsprodukte mit Licht- und Lärmimmission mit Vorsicht zu nutzen, da diese ein gewisses Konfliktpotential bergen und aufgrund der in Siedlungsnähe präsenten Reize vermutlich weniger wirksam sind.
  • Veränderung der Weide / Umgebung, z.B. durch Abstellen eines Fahrzeuges an ungewohnter Stelle (Wirksamkeit auf wenige Tage begrenzt)

Bei großen Koppeln:

  • Aufrüsten der Zäune mit unelektrifizierten Lappzäunen (Beschreibung der Maßnahme siehe oben)
  • Nachtpferche/Nachtkoppeln: Nächtliche Unterbringung der Tiere auf speziell geschützten Teilflächen innerhalb weitläufiger Weideflächen (wie oben beschrieben, mittels 5 Litzen/ Netzen/ Lappzäunen o.ä.). Dies können bspw. auch zäunbare Teile einer größeren

Stand Mai 2023:  Während im deutschlandweiten Vergleich Kälber in einem Alter unter 14 Tagen am häufigsten von Angriffen durch Wölfe betroffen waren, weichen die Daten der bestätigten Übergriffe von Wölfen auf Rinder in Baden-Württemberg von dieser Statistik ab.

Seit November 2021 wurden im Südschwarzwald wiederholt Übergriffe auf Rinder bestätigt, überwiegend durch einen im Südschwarzwald residenten Wolf mit der Kennung GW1129m.

Seit dem ersten Übergriff auf ein Jungrind im November 2021 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 9 Nachweise von Wölfen an Rindern bestätigt.

  • In 8 Fällen wurde ein Wolf als Verursacher der Schäden bestätigt, in einem weiteren Fall konnte nicht abschließende nachgewiesen werden, dass der Wolf Verursacher war. Möglich ist auch eine andere Todesursache und die Nachnutzung des verstorbenen Tieres.
  • Insgesamt waren dabei 11 Rinder betroffen, wovon 8 getötet bzw. tödlich verletzt wurden und 3 verletzt wurden, den Übergriff jedoch überlebt haben.
  • In allen Fällen handelte es sich um Rinder im Alter von über 2,5 Monaten; in 2 Fällen waren die betroffenen Rinder mehrere Jahre alt.

Es ist möglich, dass der Wolf GW1129m auch weiterhin Rinder ohne ausreichenden Schutz angreifen wird. Die meisten Übergriffe fanden auf weniger wehrhafte Jungviehherden ohne adulte (ausgewachsene) Tiere statt. Angrenzende Mutterkuhherden wurden in diesen Fällen nicht angegriffen.

Nachweise des Wolfes GW1129m sind rund um den Schluchsee zwischen Ühlingen-Birkendorf, Dachsberg (Südschwarzwald), Bernau im Schwarzwald, Titisee-Neustadt und Bräunlingen registriert worden.

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