Die Waldschnepfe

Unter ihren Verwandten, den Watvögeln, ist die Waldschnepfe eine Besonderheit. Als einziger heimische Art ist sie nicht an Gewässer gebunden, sondern bevorzugt Wälder. Insbesondere solche mit feuchter, regenwurmreicher Erde und viel schützendem Unterwuchs bieten ihr hervorragenden Lebensraum. Den Winter verbringen unsere Waldschnepfen überwiegend im Westen Frankreichs und dem Norden der iberischen Halbinsel. Ab Februar kehren sie dann zum Brüten wieder nach Baden-Württemberg zurück. Dem Brutgeschäft geht im Frühjahr die Balz voraus - der perfekte Zeitpunkt um die ansonsten so heimliche Waldbewohnerin zu beobachten und zu kartieren. Auf Höhe der Baumwipfel fliegen die balzenden Männchen in der Abend- und Morgendämmerung über Waldlichtungen und geben den als Puitzen und Quorren umschriebenen Balzgesang von sich.

Außerhalb der Balzzeit sind Waldschnepfen sehr heimlich und am Waldboden zudem ausgezeichnet getarnt. Über ihr Vorkommen und die Entwicklung ihrer Population ist aus diesem Grund nur wenig bekannt.  Vor diesem Hintergrund wurde die Waldschnepfe in das Entwicklungsmanagement des Jagd- und Wildtiermanagements eingestuft.  Beispielhaft für die Arten dieser Kategorie wurde deshalb am Wildtierinstitut der FVA für die Waldschnepfe untersucht, wie sie kartiert werden kann und wie ein landesweites Monitoring gestaltet werden müsste.

Methodenentwicklung für ein Waldschnepfenmonitoring

Zwischen 2018 und 2023 erprobte die FVA geeignete Methoden für die Erfassung der Waldschnepfe. Im Fokus standen einerseits Citizen Science-Kartierung, andererseits die Bioakustik; also die Erfassung der Waldschnepfenbalz mittels autonomer Audiorekordern.

An den Kartierungen mit Bürgerwissenschafter*innen beteilgten sich jährlich zwischen 130 und 200 Personen. Sie erfassten das Balzgeschehen während der Abenddämmerung an Waldlichtungen in ganz Baden-Württemberg. Während des Projekts konnten auf diese Weise mehr als 750 Standorte in allen Landesteilen auf das Vorkommen der Waldschnepfe untersucht werden. Auf Grund von klimatischen Bedinungen schwankt der Anteil der besiedelten Standorte von Jahr zu Jahr, lag jedoch in der Regel zwischen 60 und 75%. Die Anwendung der Bioakustik ist an 192 Standorten intensiv erprobt worden. 

Ein Team des SWR hat sich gemeinsam mit einem kundigen Jäger und der FVA bei der Waldschnepfenbalz auf Spurensuche begeben:

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Obwohl Waldschnepfen die meiste Zeit des Jahres sehr unscheinbar sind und sich unaufällig verhalten, lassen sie sich während der Balzzeit vergleichsweise einfach beobachten. Die etablierte Erfassungsmethode besteht deshalb darin, die Waldschnepfenmännchen während der Balzflüge zu beobachten. Die Weibchen hingegen lassen sich nicht gezielt erfassen. Und auch bei den balzenden Männchen kann keine exakte Anzahl ermittelt werden. Optisch lassen sich diese nämlich nicht unterschieden. Ob im Verlauf einer Kartierung mehrere Männchen an einer Lichtung balzen oder immer das selbe Tier wiederkehrt und seine Runden dreht lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Dennoch kann mit den Kartierungen bestimmt werden, wo Waldschnepfen vorkommen und wie hoch die Balzaktivität ist.

Für ein landesweites Monitoring wurde untersucht, ob die gängige Erfassungsmethode für Bürgerwissenschaftler zugänglicher gemacht werden kann. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Belastbarkeit der erhobenen Daten gewährleistet bleibt.

Resultate

Mit den Daten aus zwei Kartierungsjahren und mit Hilfe statistischer Berechnungen wurde eine Entdeckungswahrscheinlichkeit ermittelt. Dieser Wert gibt an, wie zuverlässig die Anwesenheit der Waldschnepfe mit einer Erfassungsmethode erkannt wird. Beginnt die Kartierung beispielsweise 15 Minuten vor Sonnenunterang und wird bereits nach 30 Minuten beendet, liegt die Entdeckungswahrscheinlichkeit bei 71 %.  Würden 100 Kartierungen an einem Standort durchgeführt, an dem Waldschnepfen dauerhaft vorkommen, käme der Beobachter mit dieser Erfassungsmethode dennoch bei 29 Kartierungen zu dem Ergebniss, dass der Standort nicht von Waldschnepfen besiedelt ist. Bei 71 Kartierungen hingegen, würde das Vorkommen der Art korrekt erkannt werden.

Auf dieser Basis wurde für die verbleibenden Kartierungen eine optimierte Methode festgelegt. Mit ihr wird eine Entdeckungswahrscheinlichkeit von 82% erreicht. Auch wenn dieser Wert sehr hoch ist, sollte insbesondere dann, wenn bei einer Kartierung keine Waldschnepfe festgestellt werden kann eine zweite Kartierung mit einigen Tagen Abstand durchgeführt werden. So kann sichergestellt werden, dass nicht die Methode zu einem falschen Ergebnis geführt hat, sondern der Standort tatsächlich nicht von Waldschnepfen besetzt ist.

Eckdaten der optimierten Erfassungsmethode

Ausführlich ist die Erfassungsmethode und der Ablauf der Kartierung in der zugehörigen Anleitung beschrieben (am Seitenfuß unter "Unterlagen der Citizen Science-Kartierung" zu finden)

Zeitraum

1. Mai - 30. Juni

Anzahl Kartierungen

Zwei Kartierungen im Abstand von min. 7 Tagen

Dauer der Kartierung

75 Minuten

Beginn der Kartierung

20:40 Uhr (1.Mai - 14.Mai), 21:00 Uhr (15.Mai - 31.Mai), 21:15 Uhr (1.Juni - 14. Juni), 21:25 Uhr (15.Juni - 30. Juni)

Untersuchungsfläche

Rasterzelle des 1km-UTM-Gitternetzes

Beobachtungsstandort

Geeignete Balzstruktur innerhalb der Untersuchungsfläche (Rand einer Waldlichtung, Lichtungsgröße max. 100mx100m)

Ablauf

Stationäres, minutengenaues Erfassen der Balzaktivität (akustisch und optisch)

Bei den weiteren Kartierungen wurden Abläufe im Hintergrund verbessert, die Abwicklung der Flächenvergabe und die Kommunikation mit den Beteiligten optimiert und Rückmeldungen der Teilnehmenden gesammelt. Die Erfahrung des Projekts zeigt, dass das Interesse an der Tierart Waldschnepfe und an ihrer Erfassung überraschend hoch ist. Für alle Kartierungen konnten ausreichend Teilnehmende gewonnen werden, so dass allein während der Projektphase landesweit Waldschnepfen kartiert werden konnten.

Gegen Projektende befassten sich Studierende der Uni Freiburg in einer Umfrage mit der Motivation und dem Hintergrund der Teilnehmenden. Die Befragung unter allen Teilnehmenden der Kartierungen verdeutlichte, dass hauptsächlich Personen für die Teilnahme gewonnen werden konnten, die ohnehin schon einen engen Bezug zur Natur und zum Wald haben. Dennoch hatten 3/4 der Beteiligten zuvor noch keine Berührung mit der Tierart Waldschnepfe. Mit Blick auf den Verlauf und die Organisation der Kartierungen zeigten die die Teilnehmenden insgesamt zufrieden. (Konzeption, Durchführung und Auswertung der Befragung: Janka Deus, Raphael Prautsch, Nicola Schick)

Neben den Citizen-Sciene-Kartierungen  erprobte die FVA, ob die Waldschnepfenbalz mit bioakustischen Methoden erfasst werden kann. Ob zwitschernde Vögel, zirpende Grille oder singende Wale; viele Arten nutzen Schall zur Kommunikation: Diese Signale können in der Bioakustik für das Monitoring der jeweiligen Art genutzt werden. Das gelingt selbst bei solchen Arten, die andernfalls sehr unscheinbar und heimlich sind und dadurch nur schwer zu beobachten. Das bioakustische Monitoring verwendet hierfür autonome Audiorecorder. Diese können über mehrere Monate Audioaufnahmen erstellen, ohne dass eine (störende) Person zur Bedienung vor Ort notwendig wäre. Später werden die Aufnahmen am Computer analysiert und auf das Vorkommen der Tierart untersucht. Mit Hilfe der gewonnenen Daten können vielfältige Fragen beantwortet werden.

  • Kommt die gesuchte Art am Standort vor?
  • Wo liegt  das Verbreitungsgebiet der Art?
  • Wie groß ist die Population der Art?
  • Wie und wann wandert die Art?

Werden bioakustische Erfassungen über mehrere Jahre durchgeführt, kann die Entwicklung einer Population überwacht werden.  Beispielsweise die Zu- oder Abnahme der Populationsgröße oder des Verbreitungsgebiets.

Bevor die Bioakustik in einem Monitoring eingesetzt werden kann, müssen jedoch die technischen Voraussetzungen geschaffen und die Zuverlässigkeit der Methode erwiesen werden. Für die Waldschnepfe geschah das im Projekt Methodenentwicklung für das Waldschnepfenmonitoring in Baden-Württemberg. Genutzt werden Aufnahmegeräte des Typs AudioMoth (Open Acoustic Devices). Spezifisch für diesen Gerätetyp und den arttypischen Balzgesang der Waldschnepfe wurde die maximale Aufnahmereichweite der Rekorder in Abhängigkeit von der Vegetationshöhe bestimmt . Außerdem wurde untersucht, ob die Ergebnisse der bioakustischen Erfassung mit denen der regulären Kartierungen vergleichbar sind. 


In einem letzten Schritt wurde überprüft, ob die erstellten Audioaufnahmen automatisierte analysiert und nach balzenden Waldschnepfen untersucht werden können. Manuell ist dies in einem landesweiten Monitoring auf Grund der riesigen Datenmengen nicht möglich. Um den Balzgesang in der vielstimmigen Klanglandschaft des Waldes zu detektieren wurde das neuronale Netz BirdNET (TU Chemnitz, Cornell Lab for Ornithology) eingesetzt. Unter Verwendung eines manuell ausgewerteten Datensatzes wurden dessen Fehlerquoten und Zuverlässigkeit  evaluiert.

Resultate

Die  Bioakustik ist eine geeignete Erfassungsmethode für ein landesweites Monitoring.  Das Vorkommen der Waldschnepfe kann durch bioakustische Kartierungen ebenso zuverlässig bestimmt werden, wie mit der gängigen Kartierungsmethode. Obwohl die künstliche Intelligenz nicht jedes Überflugereignis als solches erfasst und erkennt, wird das Vorkommen der Art im Rahmen einer abendlichen Kartierung zuverlässig erkannt.  Der Aufnahmebereich der eingesetzten AudioMoth ist in etwa vergleichbar mit dem Hörbereich eines jungen Erwachsenen. So wird das Puitzen der Waldschnepfe auf Waldlichtungen mit niederem Bewuchs bis zu einer Entfernung von 80 - 100m ebenso gut erfasst wie von einem menschlichen Beobachtenden. Schlechter schneidet die Bioakustik hingegen bei hoher Vegetation ab. Auch Balzflüge hinter dem Gerät werden sehr schlecht erfasst. Empfohlen wird ein Aufnahmestandort am Rand einer maximal 100m langen Lichtung mit möglichst niederem Bewuchs. Für die automatisierte Auswertung mit BirdNET sind artspezifische Einstellungen notwendig um Fehlbestimmungen zu vermeiden.

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