„Holzknecht“ oder „Klimaretter“?
Entstehung und Veränderung waldbezogener Werte und des (zukünftigen) beruflichen Rollenverständnisses von Forststudierenden (kurz: Studiwerte)
Hintergrund, Forschungsfrage(n) und Ziel der Forschung
Die Forstwirtschaft ist ein Berufsfeld, für das ein interner Zusammenhalt stark gemacht wird – die Identifikation mit dem ausgeübten Beruf ist groß. Gleichzeitig wird stetig forstlicher Nachwuchs gebraucht und somit auch ausgebildet. Gerade wenn wir annehmen, dass in „der Gesellschaft“ wiederum relativ wenig Wissen über die Forstwirtschaft vorhanden ist, stellt sich die Frage, wie Menschen überhaupt zur Forstwirtschaft kommen, mit welchen Ideen und Überzeugungen sie in diese „Forstwelt“ eintreten. Gerade im Verlauf des Studiums werden Wissen, Rollenverständnis und Werte der zukünftigen Generation von Försterinnen und Förstern geprägt.
Da wir aus der Sozialisationsforschung wissen, dass Anpassungsprozesse an neue Begebenheiten eine gewisse Zeit benötigen, gehen wir davon aus, dass zu Beginn des Studiums noch die ursprüngliche Studienmotivation und vor dem Studium erlernte Rollenbilder durchscheinen, aber bereits Anpassungsbemühungen an die Anforderungen des forstlichen Feldes erkennbar sind. Uns interessieren insofern Studierende zu Beginn ihres Studiums, junge Menschen also, die sich für den Wald interessieren, ein Studium der Forstwirtschaft (oder auch Forstwissenschaft) beginnen und damit noch ganz am Anfang des beruflichen Werdegangs angehender Försterinnen und Förster stehen. Wird hier eine Passung zwischen der ursprünglichen Studienmotivation und den tatsächlichen Anforderungen und Inhalten hergestellt? Wie wird mit möglichen Widersprüchen umgegangen?
Um wiederum die Weiterentwicklung der Rollenvorstellungen und Werte von Forststudierenden nachvollziehen zu können, vergleichen wir diese Kohorte mit Studierenden, die bereits kurz vor der Beendigung ihres Studiums stehen. Dadurch bekommen wir den Wissens- und Wertewandel in den Blick sowie das daraus entstehende Rollenverständnis als zukünftige Försterinnen/Förster oder Waldexpertinnen/Waldexperten.
Ziel des Projektes ist also zusammenfassend, zu verstehen, wie der forstliche Nachwuchs im Prozess der beruflichen Sozialisation zu Försterinnen und Förstern wird.
Forschungsvorhaben – Beteiligte und Methodisches Vorgehen
Das Forschungsprojekt stellt eine Kooperation der FVA und der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) dar. Um den Wissens- und Wertewandel sowie das daraus entstehende Rollenverständnis als zukünftige Försterinnen/Förster oder Waldexpertinnen/Waldexperten nachzuzeichnen, haben wir uns für ein Methodenmixprojekt entschieden. Dabei bringen wir die Auswertung qualitativer Interviews mit Forststudierenden ausgewählter Hochschulen (verantwortlich: FVA) mit der Auswertung quantitativer Daten einer Fragebogenstudie (verantwortlich: HFR) zusammen, die wiederum an allen Forst-Fachhochschulen erhoben werden und untersuchen anschließend unsere Ergebnisse auf Bezüge zu den forstlichen Curricula.
Im quantitativen Teil der Studie werden dabei Erst- oder Zweitsemesterstudierende sowie Studierende kurz vor Ende ihres Studiums mittels eines Online-Fragebogens befragt, den die HFR als unsere Projektpartnerin aktuell entwickelt.
Der qualitative Teil der Studie ist bereits zum Teil in Kooperation mit Studierenden des Instituts für Soziologie der Universität Freiburg angelaufen. Im Sommersemester 2022 und im Wintersemester 2022/23 haben dabei zwölf Studierende im Rahmen ihrer soziologischen Methodenausbildung Interviewleitfäden entwickelt und damit ebenso viele qualitative, leitfadengestützte Interviews mit Studierenden der Forstwirtschafts- und Forstwissenschaftsstudiengänge geführt, transkribiert und darauf aufbauend bereits gemeinsam mit den Mitarbeitenden des Projekts erste Auswertungen vorgenommen. Dieses Sample wird in den kommenden Monaten durch die Projektmitarbeiter*innen durch sechs weitere, gezielt ausgewählte Interviews ergänzt, um ein noch umfassenderes Bild zu erhalten.
Im Fokus erster Auswertungen standen im Seminarkontext dann nicht die eigentlichen forstfachlichen Inhalte, sondern deren Wahrnehmung und Bewertung durch die Forst-Studierenden: Was macht für sie „Försterinnen- und Förstersein“ aus, welche Rollen und Aufgaben verbinden sie damit und wie werden eben diese erlernt?
Darüber hinaus analysieren wir parallel zu den beiden Erhebungen die forstlichen Curricula an den fünf deutschen Forst-Fachhochschulen daraufhin, wann und wie bestimmte Inhalte vermittelt werden und inwiefern sich Bezüge zwischen den jeweiligen Ausbildungsinhalten, der Fächerkultur und der Wahrnehmung des Fachs bzw. des zukünftigen Berufsfeldes feststellen lassen.
Stand des Projekts (FVA-Teil) und erste Ergebnisse
Die qualitative Erhebung ist bald abgeschlossen (s.o.). Aktuell befinden wir uns in der Auswertungsphase des bereits vorhandenen Datenmaterials mit dem Ziel der Rekonstruktion des Rollenverständnisses der Studierenden. Erste Erkenntnisse bestätigen die enorme Identifikation der Studierenden mit ihrem Beruf und dem Themenfeld, in dem sie sich mit ihrem Studium bewegen. Spannend ist, dass viele der Ausbildungswege deutlich heterogener und komplexer sind, als wir antizipiert hatten. So gibt es einige Studierende mit Vor(aus)bildungen in ganz anderen Berufsfeldern, aber auch Studierende, die vorab bereits waldbezogene Berufe gelernt und ausgeübt haben und die auch innerhalb der Ausdifferenzierung forstlicher Studiengänge breit aufgestellt sind.
Eine typische Thematisierung in den Erzählungen der Studierenden unterscheidet zwischen „der Gesellschaft“ und einer als solchen wahrgenommenen „Forst-Bubble“. Die Positionierungen zu dieser „Forst-Bubble“ fallen allerdings ganz unterschiedlich aus: Es entsteht das Bild eines Kontinuums an dessen beiden Enden auf einer Seite Studierende stehen, die diese Blase unbedingt verlassen wollen und die den Anschluss an andere gesellschaftliche Gruppen und Berufsfelder gezielt suchen. Auf der anderen Seite stehen solche Studierende, die sich noch fester darin verankern möchten.
Auch die öffentliche Wahrnehmung der Forstwirtschaft und damit zusammenhängende gesellschaftliche Entwicklungen stehen im Fokus vieler Studierender. Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Themenfeld Kommunikation eine hohe Bedeutung zu.
Laufzeit des Projektes: Oktober 2022 – März 2024